doi:10.17147/asu-1-417827
Isolated lateral meniscus damage in professional athletes
The prerequisites for recognition of occupational disease No. 2102 are a so-called stress-compliant damage pattern of meniscopathy, according to which, in the case of possible involvement of the lateral meniscus, the medial meniscus and the posterior horn are primarily affected and should show stronger signal disturbances than the anterior horn and intermediate part. According to the present judgment, the expert opinion’s orientation towards this requirement is unjustified because the professional group of professional footballers is subject to meniscus strains that would lead one to expect a more differentiated damage pattern.
Kernaussagen
Isolierter Außenmeniskusschaden beim Profisportler
Als Anerkennungsvoraussetzungen für die Berufskrankheit Nr. 2102 wird ein sogenanntes belastungskonformes Schadensbild der Meniskopathie gefordert, wonach bei möglicher Mitbeteiligung des Außenmeniskus primär der Innenmeniskus und das Hinterhorn betroffen sein und stärkere Signalstörungen aufweisen sollen als Vorderhorn und Zwischenstück. Nach dem vorliegenden Urteil ist die gutachtliche Orientierung an dieser Forderung unberechtigt, weil die Berufsgruppe der Profifußballer2 Meniskusbelastungen unterlägen, die ein differenzierteres Schadensbild erwarten lassen.
Sachverhalt
Der 1975 geborene Kläger war langjährig als Fußballprofispieler, mindestens von 1993–2013, tätig. Er begehrt die Anerkennung seiner Außenmeniskuserkrankung im rechten Kniegelenk als Berufskrankheit (BK) Nr. 2102 nach der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten). Die beratende Ärztin der Beklagten bestätigte das Vorliegen einer primären Meniskopathie, empfahl aber, die BK 2102 abzulehnen, da bei unauffälligen Verhältnissen am Innenmeniskus kein belastungskonformes Schadensbild bestehe.
Gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.05.2021 legte der Kläger Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. R. ein, der einen Zusammenhang zwischen der Meniskuserkrankung beim Kläger und der beruflichen Tätigkeit aus medizinischen Erwägungen für gegeben erachtete. Dazu führte er aus: „Die Kernproblematik ist im vorliegenden Fall die Frage nach dem belastungskonformen Schadensbild beim Profi-Fußballspieler. Die Beratungsärztin Frau Dr. F. hat den Sachverhalt sehr gut und in den medizinischen Bereichen völlig richtig zusammengefasst. Sie hat sich orientierend an der gängigen Handbuchliteratur durchaus nachvollziehbar zu den immer noch häufig geäußerten Vorstellungen zu einem belastungskonformen Schadensbild zur BK 2102 positioniert. Dagegen ist formal zunächst nichts einzuwenden. Das Problem liegt im Inhalt. In der Handbuchliteratur wird, um es so vorsichtig wie möglich zu formulieren, „das ewig Gestrige breitgetreten“ und das von Medizinern, die fachlich nicht als Knie- oder gar Meniskusexperten gelten dürfen.“
Entstehungsgeschichte der BK 2102
Das Problem sei, dass die BK 2102 eine sehr alte Erkrankung ist. Sie wurde 1942 als BK-Nummer 26 beschrieben, und zwar ausschließlich für Untertage tätige Bergleute. Erst 1988 sei die BK 2102 für alle Berufsgruppen geöffnet worden. Damals habe man einfach die Bewertungsgrundsätze, wie man sie für die Untertagetätigkeit entwickelt habe, beibehalten. Das sei aber nur so lange gerechtfertigt, solange tatsächlich die äußeren Belastungsbedingungen auch identisch wären.
Statische versus dynamische Belastung
Die Untertagetätigkeit sei gekennzeichnet durch Arbeiten im Hocksitz und im Knien. Dies sei eine statische Belastung mit starker Kniebeugung. Die Kniebelastung im Profi-Fußballsport sei eine völlig andere. Die Belastung finde strecknah statt, und zwar durch erhebliche dynamische Beanspruchungen, die auch in der internationalen Orthopädie eine Fachbezeichnung habe. Man nenne sie „High risk pivoting“-Sportarten. Ein Fußballspieler hocke beziehungsweise knie nicht 90 Minuten lang auf dem Platz, sondern bewege sich völlig anders und belaste damit auch das Knie anders.
Die hochdynamische Beanspruchung im Profisport, die im Übrigen auch in den entsprechenden Handbüchern unter „rauer Bewegungsbeanspruchung“ gefasst werde, könne naturgemäß nicht ein genau identisches Schadensbild am Meniskus verursachen wie die statische Belastung im Hocksitz und Knien. Es gäbe nur den gemeinsamen Nenner bei hockender oder kniender Tätigkeit auf der einen Seite und der rauen Bewegungsbeanspruchung im Profisport auf der anderen Seite, dass die Menisken des Kniegelenks überdurchschnittlich beansprucht werden.
Bild der dynamischen Belastung
Hier das gleiche Schadensbild anzunehmen, sei „grober Unfug“. Genau das werde aber gemacht, falls schablonenartig das sicherlich für die kniende und hockende Tätigkeit richtige belastungskonforme Schadensbild, das immer auch das Innenmeniskushinterhorn miterfasst, als nachzuweisendes belastungskonformes Schadensbild auf den Profisport übertragen werde. Beim Profifußballsportler entstehe eine erhöhte Kniebeanspruchung und ein Mehrverschleiß der Menisken im Wesentlichen durch rezidivierende Mikrotraumata, nicht durch haltungsbedingte Überbeanspruchung. Aufgrund der Besonderheiten der Bewegungsabläufe könnten diese sowohl den Innenmeniskus als auch den Außenmeniskus betreffen. Der Außenmeniskus sei etwa gleich häufig betroffen. Die isolierte Schädigung des Außenmeniskus sei eine typische, durch repetitive Mikrotraumata expositionsbedingte Erkrankung beim Profi-Fußballer, insbesondere durch Abstopp-, Dreh- und Antrittsbewegungen mit Mehrbeanspruchung des Kniekompartiments häufiger im äußeren als im inneren Bereich. Ein zusätzlicher Aspekt, der die Überbeanspruchung des Außenmeniskus und hier des Außenmeniskusvorderhorns belege, sei die Überbeanspruchung in der Überstreckphase beim Schuss. Es gäbe Untersuchungen, die zeigten, dass zum Beispiel isolierte Außenmeniskusvorderhornrisse, die extrem selten sind, ausschließlich Fußballspieler beträfen. Der Mechanismus sei hier eine rezidivierende Quetschung durch Überstreckbewegung beim Schuss mit der zusätzlich auftretenden Schlussrotation.
Kein typisches Belastungsbild
In dieser Konstellation sei es essenziell, althergebrachte Vorstellungen über ein belastungskonformes Schadensbild, wie sie für den Hocksitz und das Knien durchaus gelten mögen, an die völlig anderen Belastungen im Profisport anzupassen. Ein Schadensbild, das zwingend den Innenmeniskus einschließe, sei nicht sachgerecht. Auch die isolierte Außenmeniskusschädigung sei ein belastungskonformes Schadensbild. Es sei an der Zeit, die, wie Dr. Ludolph und Dr. Meyer-Clement völlig zurecht dargestellt hätten (vgl. Ludolph 2012), niemals angepassten fachlichen Grundlagen der BK 2102 nun der Ausweitung des Personenspektrums anzupassen und hier insbesondere zu erkennen, dass ein Profisportler eben aus den oben genannten Gründen zwar meniskusbelastend tätig ist, aber einer völlig anderen Meniskusbelastung unterliege.
Ein- oder beidseitig?
Die Forderung der Beidseitigkeit möge für die im Hocksitz oder kniend arbeitenden Berufsgruppen gerechtfertigt sein. Für den Profisportler sähe es anders. Hier bestehe der Schadensmechanismus eben in der rezidivierenden Mikrotraumatisierung. Das Mikrotrauma wiederum sei im Profisport „allgegenwärtig“, in seiner Verteilung aber dennoch zufällig, insbesondere auch in der Graduierung. Die Verteilung zwischen rechtem und linkem Kniegelenk sei hier zufällig, und es könne durchaus sein, dass im Rahmen einer Sportlerkarriere ein Knie sehr viel stärker von schwerwiegenderen, immer noch im Mikrobereich liegenden Mikrotraumata betroffen werde als ein anderes Knie, so dass ein Seitenunterschied begründbar wäre. Zusammenfassend bestätigte Prof. Dr. R. das Vorliegen eines berufsbedingten Meniskusschadens und einer BK 2102 mit sekundärer Kniearthrose nach Außenmeniskusnaht.
Der beratende Arzt der Beklagten, Prof. Dr. S., meinte dazu, bei dem Gutachten handele es sich lediglich um eine narrative Einzelmeinung des Gutachters, der als Beleg für seine rein hypothetische Auffassung zum Meniskusschaden beim Profifußballer weder Referenzen aus der internationalen Literatur noch eigene Forschungsergebnisse präsentiere. Mithin sei seine zusammenfassende Beurteilung der BK 2102 schlechthin unbegründet. Würde man die anlässlich der Untersuchung am 10.02.2020 im Bereich des rechten Kniegelenks dokumentierten Funktionsstörungen des rechten Kniegelenks als Folge einer angeblichen BK 2102 ansehen, dann würde daraus keine messbare Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) resultieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2022 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und stützte sich insbesondere auf die Stellungnahme des Prof. Dr. S. In der dagegen erhoben Klage hat das Gericht ein chirurgisches Gutachten des Facharztes für Chirurgie-Unfallchirurgie und Sozialmedizin Dr. T. eingeholt.
Wissenschaftlicher Erkenntnisstand
Herr Dr. T. stellte in seinem Gutachten fest, (nur) am rechten Kniegelenk des Klägers bestehe eine primäre Meniskopathie in Form des Außenmeniskusschadens. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Zuerkennung einer BK 2102 lägen nach momentanem Erkenntnisstand vor. Ein belastungskonformes Schadensbild, wonach ein Innenmeniskushinterhornschaden gesichert sein müsse, sei nur für sogenannte statische Belastungen, das heißt Belastungen in Form von Dauerzwangshaltungen anzunehmen. Bei dynamischen Belastungen, also häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchungen gäbe es nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein typisches belastungsinduziertes Schadensbild. Hierzu verweist Dr. T. auf ein systematisches Review von Barnes et al. aus dem Jahr 2021. Aus den dort genannten Studien ergäbe sich, dass der laterale und mediale Meniskus bei professionellen Fußballspielern gleichermaßen betroffen sei. Diese Studien zeigten somit übereinstimmend, dass bei den dynamischen Belastungen (häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchungen) keine bestimmte belastungskonforme Lokalisation angegeben werden könne, sondern der Innen- und Außenmeniskus bei professionellen Fußballspielern wohl nahezu gleichermaßen betroffen seien.
Nach den neueren Untersuchungen könne die Aussage getroffen werden, dass beim Profifußball oder anderen dynamischen Sportarten wohl völlig andere Belastungsverteilungen im Kniegelenk und vermutlich auch eine Mehrbelastung vor allem des äußeren Kompartiments und des Außenmeniskus durch rezidivierende Mikrotraumen mit Pivotmechanismen auftreten könnten. Logisch erscheine aus diesem Gedankengang heraus, dass eine isolierte degenerative Läsion des Außenmeniskus bei entsprechender beruflicher Belastung auf diese berufliche Exposition zurückgeführt werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2024 hob die Kammer die Bescheide der Beklagten auf und stellte fest, der Meniskusschaden des Klägers im rechten Kniegelenk sei als BK 2102 anzuerkennen.
Berufskrankheitentypisches Krankheitsbild
Der Kläger leide im rechten Kniegelenk an
einem Meniskusschaden im Sinne der BK 2102. Das Gericht folge der herrschenden Auffassung, dass unter die BK 2102 nur die primäre Meniskopathie falle, nicht die sekundäre. Bei der primären Meniskopathie setze der vorzeitige Verschleiß im Bereich des Meniskusgewebes mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit des gesamten Meniskussystems ein (Schönberger et al. 2017, S. 661 ff.). Bei der sekundären Meniskopathie träten zunächst ausgedehnte Knorpelschäden im Gelenk auf, deren Ursachen vielfältig sein können. Erst sekundär folge ein Meniskusschaden. Beim Kläger lägen nach Meinung aller Gutachter primär keine ausgedehnten Knorpelschäden im rechten Kniegelenk vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten könne eine BK 2102 bei Profisportlern nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass es bei dynamischen kniegelenksbelastenden beruflichen Tätigkeiten kein „belastungskonformes“ Schadensbild gebe beziehungsweise dass der Innenmeniskus bevorzugt geschädigt sein müsse. Es sei zwar für statische kniegelenksbelastende berufliche Tätigkeiten grundsätzlich anerkannt, dass sie vermehrt auf den Innenmeniskus konzentrieren, weil der Innenmeniskus aus anatomischen Gegebenheiten im Gelenk – an den Bändern – „fixierter“ sei als der Außenmeniskus (vgl. Schönberger et al. 2017, S. 662 ff.). Dies solle nach herrschender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung eine erheblich höhere Belastung und damit vermehrte Schädigungen am Innenmeniskus verursachen und somit für statische Einwirkungen in hockender oder kniender Stellung ein „belastungskonformes Schadensbild“ darstellen. Ein solches belastungskonformes Schadensbild sei aber nur für solche statischen beruflichen Belastungen am Innenmeniskus medizinisch-biomechanisch belegt.
Schutzbereich der BK 2102
Für dynamische kniegelenksbelastende berufliche Tätigkeiten sei ein solches belastungskonformes Schadensbild – bevorzugt am Innenmeniskus – aber nicht festzustellen. Das Gericht folge hier den Ausführungen des Prof. Dr. R., der sehr anschaulich dargestellt habe, dass es wesentliche Unterschiede zwischen den Meniskusschäden bei statischen Belastungen – den hockenden oder knienden Tätigkeiten (Bergbau/Bodenleger) – und den dynamischen Belastungen beim Profi-Fußballsport gebe. Die Krafteinwirkungen auf die Menisken seien bereits biomechanisch verschieden, denn allein die Kniestellung sei bei den belastenden Einwirkungen gänzlich unterschiedlich. Insoweit gebe es bei dynamischen Belastungen auf die Kniegelenke kein anerkanntes „belastungskonformes“ Schadensbild in dem Sinne, dass bei der BK 2102 immer der Innenmeniskus „bevorzugt“ geschädigt sein müsse, wie es die Beklagte meine.
Die Belastungen bei den Bewegungsabläufen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen seien biomechanisch andere als bei hockenden und knienden Belastungen, also den statischen Belastungen zum Beispiel im Bergbau. Es komme zu Mikrotraumen, die gerade nicht hauptsächlich auf den Innenmeniskus wirkten. Die insoweit in der medizinischen Literatur postulierten Annahmen, dass der Innenmeniskus wegen der anatomischen Fixierung an der Gelenkkapsel stärker betroffen sei als der „lockerer“ aufgehängte Außenmeniskus, möge bei statischen Belastungen im gebeugten Kniegelenk durchaus plausibel erscheinen. Bei den in Bruchteilen von Sekunden wirkenden dynamischen Belastungen, die gerade nicht in gebeugter Kniestellung auf beide Menisken einwirkten, könne ein „lockerer aufgehängter Außenmeniskus“ nicht biomechanisch „schnell genug ausweichen“. Jedenfalls habe das Gericht entsprechende Studien über solche dynamisch einwirkenden Belastungen nicht finden können, die bevorzugt auf den Innenmeniskus wirken.
Der von der Beklagten benannte „Ausschluss“ eines isolierten Außenmeniskusschadens bei dynamischen beruflichen Belastungen aus dem Schutzbereich der BK 2102 sei weder vom Wortlaut gedeckt, noch ergäbe er sich aus den medizinisch-wissenschaftlichen Begründungen oder der Rechtsprechung. Zutreffend weise das Bundessozialgericht zum Berufskrankheiten-Recht darauf hin: „Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK [Anm.: dort ging es um die BK 3102] ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann“ (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) v. 27.06.2017 – B 2 U 17/15 R – SGb 2018, 500, 502). Das sei bei der BK 2102 für Außenmeniskusschäden bei dynamischen Einwirkungen nicht der Fall.
Auch die Literaturstellen bei Schiltenwolf et al. (2013), Thomann et al. (2013) und Ludolph (2012) wiesen darauf hin, dass es bei dynamischen Belastungen kein anerkanntes Schadensbild gäbe.
Aufklärungspflicht der Berufsgenossenschaft
Die Beklagte habe anderslautende Studien bisher nicht vorgelegt. Das Gericht habe bereits in seiner Entscheidung vom 18.01.2019 (vgl. Sozialgericht (SG) Hamburg, Urteil – S 40 U 205/17 –, Rn. 57, juris) darauf hingewiesen, dass die Beklagte als Unfallversicherungsträger der „Berufssportler“ für die Feststellung von möglichen epidemiologischen Erkenntnissen zuständig wäre, wonach bei Profisportlern keine (isolierte) Schädigung des Außenmeniskus in Abgrenzung zum Innenmeniskus aufträte, sie mithin aus dem Schutzbereich der BK 2102 ausgeschlossen werden könne.
In der Rechtsprechung seien bereits viele „Außenmeniskusschäden“ bei dynamischen Sportbelastungen als BK 2102 anerkannt worden. Es sei insoweit auffällig, dass die Beklagte, als verbandsmäßig zuständiger Unfallversicherungsträger, nicht selbst valide (und ggf. unabhängige) arbeitsmedizinische/epidemiologische Studien in diesem Bereich veranlasst habe, wenn sie denn der festen Auffassung sei, dass eine isolierte Schädigung des Außenmeniskus durch Profisporttätigkeiten nicht wesentlich verursacht sein könne. Ihr lägen insoweit sämtliche BK-Verdachtsanzeigen aller Profi-Sportler vor. Die „offene“ BK 2102 existiere immerhin schon seit 1988. Ein solcher (gesetzlicher) Forschungsauftrag ergäbe sich aus §14 Abs. 1 SGB VII.
Keine Beidseitigkeit
Das Gericht folge auch der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der fehlenden Beidseitigkeit der betroffenen Kniegelenke bei dynamischen Belastungen in Abgrenzung zum „Beidseitigkeitserfordernis“ bei statischen Einwirkungen. So habe das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz im Urteil vom 22.05.2023 (Az.: L 2 U 78/21, Rn. 60, juris) ausgeführt, dass aus der spezifischen Belastungssituation der Kniegelenke beim Fußballspielen und der hieraus resultierenden unterschiedlichen Beanspruchung der beiden Kniegelenke keine Beidseitigkeit im Schadensbild zu fordern sei. Nach dem Merkblatt sind Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrender erheblicher Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage eine geeignete Belastung. Der von einem Berufssportler ausgeübte Fußballsport werde hiervon erfasst. Die Belastungsmomente, denen Profifußballspieler biomechanisch im Hinblick auf das Meniskusgewebe ausgesetzt sind, unterschieden sich deutlich von denen eines Untertagearbeiters oder eines Fliesenlegers. Letztere seien quasi-statischen Beanspruchungen ausgesetzt, die aus berufstypischen Zwangshaltungen resultieren. Bei Berufsfußballspielern komme es hingegen zu schnellen und ruckartigen Belastungsspitzen. Deshalb könne bei der Bewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht von denselben Maßstäben bei verschiedenen Berufsgruppen und aus deren Tätigkeiten resultierenden verschiedenen Arten und Weisen der Einwirkung auf das Meniskusgewebe ausgegangen werden (ebenso Bay. LSG, Urt. v. 16.06.2021 – L 17 U 365/18 – juris Rn. 52 ff –, sowie LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.2021 – L 2 U 958/20 – juris Rn. 45 ff, beide für einen Profifußballspieler, sowie LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.03.2021 – L 8 U 1828/19 für einen Profihandballer).
Arbeitstechnische Voraussetzungen
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen (Einwirkungen) der BK 2102 seien erfüllt. Der Kläger habe im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als Profi-Fußballspieler seit dem Jahre 1999 bis zum ersten Auftreten von behandlungsbedürftigen Kniegelenksbeschwerden rechts (Oktober 2003) und darüber hinaus bis Mitte 2013 mehrjährig, andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten verrichtet.
„Mehrjährig“ bedeute bereits nach dem Wortlaut ein Zeitraum von mindestens zwei Jahren. In der Literatur und Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine zweijährige Tätigkeit, die eine ausreichende Belastung im Sinne der BK 2102 darstelle, auch dann gegeben sei, wenn eine derartige Tätigkeit im Verlauf des Berufslebens mit Unterbrechungen insgesamt zwei Jahre verrichtet wurde, und dass Fehlzeiten (Urlaub, Krankheit, Freistellung) nicht abzuziehen seien. Der Kläger sei bis zur ärztlichen Feststellung des primären Meniskusschadens im Oktober 2003 mindestens drei Jahre in Deutschland als versicherter Fußballprofi kniebelastend im Sinne der BK 2102 tätig gewesen.
Ebenfalls sei der Kläger „andauernden oder häufig wiederkehrenden“ Belastungen in ausreichendem Maße bei seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt. Nach dem vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung der BK 2102 ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung (statische Belastung), oder eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen (dynamische Belastung), gegebenenfalls auf grob unebener Unterlage. Das Gericht gehe davon aus, dass im Fußballsport extreme dynamische Belastungen auftreten, so dass es nicht erforderlich sei, dass die Tätigkeit „auf grob unebener Unterlage“, wie zum Beispiel bei Rangierern, verrichtet worden zu sein brauche. Mit den Sachverständigen Dr. T. und Prof. Dr. R. sei davon auszugehen, dass im Fußballsport extreme dynamische Belastungen durch das Pivotieren aufträten.
Abschließend führte das Gericht detailliert aus, dass es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt sei, dass der Außenmeniskusschaden im rechten Kniegelenk des Klägers durch dessen die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende versicherte Tätigkeit als Profi-Fußballspieler mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht worden sei, mithin auch der haftungsbegründende Zusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung gegeben sei.▪
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Bahns C, Bolm-Audorff U, Seidler A, Romero Starke K, Ochsmann E: Occupational risk factors for meniscal lesions: a systematic review and meta-analysis. BMC Musculoskeletal Disorders 2021; 22: 1042. https://doi.org/10.1186/s12891-021-04900-7 (Open Access).
Ludolph E: Der Unfallmann. 13. Aufl. Berlin: Springer, 2012, S. 547.
Schiltenwolf M, Hollo DF, Gaidzik PW: Begutachtung der Haltung- und Bewegungsorgane. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2013, S. 505.
Schönberger A, Mehrtens g, Valentin H: Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 9. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2017, S. 661ff.
Thomann K-D, Schröter V, Grosser F: Orthopädische unfallchirurgische Begutachtung. 2. Aufl. Amsterdam: Elsevier, 2013, S. 366.
Online-Quelle
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: 6. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung beschlossen
https://www.bmas.de/DE/Soziales/Gesetzliche-Unfallversicherung/Aktuelle…