UV-Strahlung ist ein bislang unterschätzter Risikofaktor
Jeden Tag ist der Mensch ultravioletter (UV-)Strahlung ausgesetzt, ob in der Freizeit oder im Beruf, freiwillig oder unfreiwillig. Obgleich die Internationale Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) UV-Strahlung als Klasse-1-Karzinogen eingestuft hat, ist der durch UV-Strahlung induzierte Hautkrebs dennoch ein seit Jahren vernachlässigtes Risiko in der Prävention. In einer alternden Gesellschaft, in Kombination mit dem Ideal einer gebräunten Haut und globalen Klimaänderungen steigt die Inzidenzrate des nichtmelanozytären Hautkrebses Jahr für Jahr an. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sie sich in der Europäischen Union nahezu verdoppelt (Birch-Johansen et al. 2010).
Seitdem Plattenepithelkarzinome und deren Vorstufen unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheiten unter der BK-Nr. 5103 anerkannt werden können, ist das Thema in den Fokus gerückt. Mit Hilfe eines Algorithmus ist es möglich, retrospektiv Berechnungen der Exposition von Beschäftigten durchzuführen, um Aussagen über den Anteil der im Arbeitsleben erworbenen Bestrahlung machen zu können (Wittlich et al. 2016).
Mit Blick auf die demografische Entwicklung der Bevölkerung sowie Umweltveränderungen durch die Abnahme der Ozonschicht kann von deutlich steigenden Zahlen von Hautkrebserkrankungen in der Zukunft ausgegangen werden. Hautkrebs durch UV-Strahlung stellt demnach insbesondere für die Prävention eine Herausforderung dar.
Beschäftigte im Freien sind besonders gefährdet
Eine Vielzahl von Beschäftigten in Deutschland arbeitet ganz oder teilweise im Freien. Wesentlich entscheidend ist, wann und wie lange Beschäftigte der UV-Strahlung der Sonne – genauer gesagt: der gesamten Himmelsphäre – ausgesetzt sind. Detaillierte Kenntnisse über die Tätigkeitsprofile von Beschäftigten sind dabei von grundlegender Bedeutung: Erst sie lassen eine Einschätzung der Arbeitszeit im Freien zu und erlauben damit eine Interpretation von Messdaten zur UV-Exposition.
Im Rahmen der DGUV-Messkampagne mit GENESIS-UV (GENeration and Extraction System for Individual expoSure-UV) wurden deshalb detaillierte Belastungsdaten für die verschiedensten Tätigkeiten in Außenbereichen gesammelt und ausgewertet. Dazu trugen 600 Beschäftigte unterschiedlicher Berufe in den Jahren 2014 und 2015 jeweils von Anfang April bis Ende Oktober Dosimeter an den Oberarmen, die die Strahlung maßen.
Von großem Interesse war u.a. die Messung der UV-Strahlungsexposition von Beschäftigten, die auf dem Flughafenvorfeld tätig sind, wie z.B. Lademeister oder Flugzeugabfertiger. Diese Personen arbeiten zwar räumlich nahe beieinander und somit unter denselben klimatischen Verhältnissen und Wetterbedingungen, sie führen jedoch völlig unterschiedliche Tätigkeiten aus ( Infobox 1).
Kampagnenweit und über alle untersuchten Berufsgruppen hinweg hat sich bei der Auswertung herausgestellt, dass es zu sehr unterschiedlich hohen Bestrahlungen kommt. Insgesamt aber überraschte, dass die bislang vermutete (maximale) Referenzdosis aus anderen Studien (Knuschke et al. 2007) um nahezu einen Faktor 2 überboten wurde. Damit erhält die UV-Bestrahlung bei der Arbeit ein ganz neues Gewicht. Zudem lassen die Ergebnisse vermuten, dass das Bewusstsein um die Gefährdung bisher entweder nicht oder kaum vorhanden ist oder durch Zwänge der beruflichen Tätigkeit die Gefährdung nicht vermieden werden kann.
Bestrahlung im Flughafenvorfeld
Mit GENESIS-UV ( Abb. 1) wurde die Bestrahlung von Beschäftigten im Flughafenvorfeld von April bis Oktober 2015 messtechnisch erfasst ( Infobox 2). Dabei trugen die Probanden das elektronische Datenlogger-Dosimeter während ihrer gesamten Arbeitszeit auf der Kleidung am linken Oberarm. Dadurch konnte die auf den Körper einwirkende UV-Strahlung erfasst werden. Mit Hilfe von so genannten Körperstellenfaktoren, die noch in der Zukunft tätigkeitsabhängig gemessen werden, kann die gemessene Bestrahlung auf andere Körperstellen – wie z.B. die Sonnenterrassen Nase und oberer Ohrrand – später einfach umgerechnet werden.
Interessantes ergibt sich beim Blick auf die Jahresexpositionswerte ( Infobox 3). Diese beschreiben die in den Monaten April bis Oktober gemessenen Werte, die dann auf ein ganzes Jahr unter Berücksichtigung der Jahresarbeitszeit extrapoliert wurden. Sowohl Verantwortliche als auch ausführende Lademeister sowie Flugzeugabfertiger (Fracht) sind offensichtlich mehr oder weniger gleich stark exponiert. Überraschend war die vergleichsweise hohe Exposition bei den Flugzeugabfertigern, die nicht in der Fracht-, sondern in der Personenabfertigung tätig sind. Der Jahresexpositionswert fiel doppelt so hoch aus wie bei den übrigen auf dem Flughafenvorfeld tätigen Berufsgruppen.
In Infobox 1 ist die Gesamtbeurteilung der Aufenthaltsdauer im Freien für die jeweiligen Berufsgruppen auf dem Flughafenvorfeld dargestellt. Hierbei handelt es sich um geschätzte Anteile. Im Vergleich zu den Jahresexpositionswerten, die in Infobox 3 wiedergegeben werden, muss die Gesamtbeurteilung noch einmal überdacht werden. So wurde davon ausgegangen, dass die Aufenthaltsdauer im Freien für die Flugzeugabfertiger in der Personen- und in der Frachtabfertigung 80% der Gesamtarbeitszeit beträgt. Die Jahresexpositionswerte deuten jedoch darauf hin, dass sich Flugzeugabfertiger in der Frachtabfertigung deutlich weniger im Freien, sondern beispielsweise mehr im Flugzeug aufhalten, um die Ladung zu verstauen. Wie aus den Tätigkeitsprofilen hervorgeht (s. Infobox 1), ist der Anteil der Innentätigkeiten bei den verantwortlichen Lademeistern höher als bei den ausführenden Lademeistern. Dies spiegelt sich auch in den Jahresexpositionswerten wider, wobei der Unterschied nicht so deutlich wie bei den Frachtabfertigern ausfällt.
Im Kontext der bislang untersuchten Berufe und Tätigkeiten erscheinen die Bestrahlungen der (ausführenden und verantwortlichen) Lademeister und der Flugzeugabfertiger (Fracht) eher im „unteren Mittelfeld“. Im Juli veröffentlichte die DGUV bereits Werte zu den untersuchten Berufen. Dabei stellte sich heraus, dass einige Berufe mit Jahresexpositionswerten von über 500 SED verbunden sind – das ist vergleichbar mit etwa 200 „Sonnenbranddosen“ für den so genannten Hauttyp 2, der in Deutschland am häufigsten vorkommt. Dazu gehören z. B. Beschäftigte in Steinbrüchen oder im Kanalbau (DGUV, s. „Weitere Infos“). Obwohl auch zum großen Teil im Freien tätig, sind die Beschäftigten auf dem Flughafenvorfeld weniger stark der solaren UV-Strahlung ausgesetzt.
Relevanz der Messungen für das BK-Geschehen
Mit Blick auf die aktuellen Konventionen bei Berufskrankheitenfällen mit der BK-Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ lassen sich die gewonnenen Expositionswerte in einen Zusammenhang bringen. Mangels retrospektiver Daten zur Freizeitexposition wird eine allgemeingültige UV-Bestrahlung von 130 SED in Brustposition pro Jahr für den durchschnittlichen Bundesbürger angesetzt. Darin enthalten sind unter anderem ein zweiwöchiger Urlaub sowie Expositionen am Wochenende (Wittlich, s. „Weitere Inos“). Eine genauere Aufschlüsselung der Exposition der nichtversicherten Zeiten ist zurzeit nicht möglich, aber Gegenstand aktueller Forschung.
Diese Exposition von 130 SED wird jedem Beschäftigten zu seiner beruflichen Exposition hinzugerechnet. Mit Ausnahme der Flugzeugabfertiger in der Personenabfertigung kann für die Beschäftigten auf dem Flughafenvorfeld festgestellt werden, dass durch die berufliche Tätigkeit ungefähr noch einmal eine gesamte Jahresbestrahlung zur durchschnittlichen Bestrahlung hinzukommt (s. Infobox 3).
Es lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ziehen:
- Bei Tätigkeiten auf dem Flughafenvorfeld handelt es sich um gefährdende Tätigkeiten.
- Da sich Tätigkeiten in heutiger von denen in früherer Zeit unterscheiden können, selbst im selben Beruf, kann nicht pauschal auf die Bestrahlung bei der Ermittlung im BK-Verfahren geschlossen werden.
Weiterhin muss bei den Ermittlungen in Berufskrankheitenfällen immer auf individuelle Aspekte geachtet werden. Bis die gemessenen Bestrahlungswerte in die BK-Begutachtung einfließen können, wird noch Vorarbeit zu leisten sein.
Präventionsmaßnahmen können die Exposition wesentlich senken
Ob das kanzerogene Potenzial der UV-Strahlung mit einem Schwellenwert zusammenhängt und eine Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht, ist noch Gegenstand der Forschung. Eindeutig ist aber, dass mehr UV-Bestrahlung zu mehr Hautkrebs führt. Entsprechend gilt das Schutzprinzip „so wenig wie eben möglich“. Da wir uns aber der UV-Strahlung weder ganz entziehen können noch dies sollten, muss eine Prävention mit dem richtigen Augenmaß angegangen werden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Gefährdung als auch auf die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen. Diese müssen klug gewählt sein, denn Beschäftigte lehnen Schutzmaßnahmen ab, wenn der Eindruck entsteht, das Schutzziel wird übertrieben. Zudem muss bei Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Exposition durch die Sonne darauf geachtet werden, dass keine anderen zusätzlichen Gefährdungen entstehen. Ein Beispiel hierfür ist die geschlossene, körperbedeckende Schutzkleidung, die zu Überhitzung führen kann.
In der DGUV-Information 203-085 „Arbeiten unter der Sonne“ werden den Unternehmern Hilfen an die Hand gegeben, wie sie allgemeine Präventionsmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip anwenden können. Bei Arbeitsplätzen wie auf dem Flughafenvorfeld, an denen technische (T) und organisatorische (O) Maßnahmen nur bedingt oder mit großem Aufwand umgesetzt werden können, bleiben v. a. persönliche (P) Schutzmaßnahmen. Das bedeutet, dass insbesondere körperbedeckende Kleidung zu tragen ist.
Zum Schutz der dennoch exponierten Körperstellen wie Gesicht, Nacken oder Kopfseiten und Hände sollten neuartige Formen von Bedeckungen (beispielsweise Helm mit Nackenschutz) geprüft werden. Als allerletztes Mittel sollte auch – korrekt angewendet – Sonnencreme zum Einsatz kommen, jedoch nur an den Körperstellen, die nicht bedeckt werden können.
Zusammenfassung und Ausblick
Beschäftigte auf dem Flughafenvorfeld sind durch solare UV-Strahlung exponiert und müssen geschützt werden. Durch Messungen ist es gelungen, die Gefährdung zu quantifizieren. In Zukunft wird es durch weitergehende Analysen der Messdaten möglich sein, noch detailliertere Aussagen über die Exposition der Beschäftigten zu machen. Das Ziel ist, individuell angepasste Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, damit die Exposition auf das erreichbare Minimum gesenkt wird, die Maßnahmen aber auch von den Beschäftigten anerkannt und akzeptiert werden.
Literatur
Birch-Johansen F, Jensen A, Mortensen L, Olesen AB, Kjær SK: Trends in the incidence of non-melanoma skin cancer in Denmark 1978–2007: rapid incidence increase among young Danish women. Intl Int J Cancer 2010; 127: 2190–2198.
Knuschke, P, Unverricht, I, Ott, G, Janßen, M: Personenbezogene Messung der UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien – Forschungsprojekt F1777. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2007.
Wittlich M, Westerhausen S, Kleinespel P, Rifer G, Stoppelmann W: An approximation of occupational lifetime UVR exposure: algorithm for retrospective assessment and current measurements. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016; 30 (Suppl 3): 27–33.
Info 1
Tätigkeiten auf dem Flughafenvorfeld
Die Exposition von Beschäftigten wird durch die einzelnen Tätigkeiten bestimmt. Obwohl am selben Ort eingesetzt, wie hier Beschäftigte auf dem Flughafenvorfeld, kann sich die Exposition zum Teil erheblich unterscheiden – auch im selben „Beruf“. Daher ist es notwendig, zwischen den einzelnen Tätigkeiten zu differenzieren.
Jeder Beruf wird durch Tätigkeiten beschrieben, die in einem Tätigkeitsprofil hinterlegt werden. Damit kann auch abgeschätzt werden, wie groß die Anteile der einzelnen Tätigkeiten am Gesamtprofil sind und insbesondere auch, welche Anteile innerhalb oder außerhalb von Gebäuden stattfinden. Besonders ausgewiesen werden dabei Aufenthalte in Fahrzeugen ( Tabellen 1 und 2).
Info 2
GENESIS-UV
Mit GENESIS (GENeration and Extraction System for Individual expoSure, s. Abb. 1) hat das IFA ein System entwickelt, mit dem sich dezentrale Messungen direkt anzeigender Messgeräte durchführen lassen. Bei dem Design des Systems wurde insbesondere auf die einfache Handhabbarkeit geachtet, damit die Probanden mit so wenig technischem Aufwand wie möglich belastet werden.
Zur Messung der Exposition gegenüber solarer UV-Strahlung während der beruflichen Tätigkeit erhält jeder Proband eine Einheit des GENESIS-UV-Messsystems, das im Wesentlichen aus einem elektronischen Datenlogger-Dosimeter und einem Tablet-PC besteht. Das System ist so programmiert, dass es automatisch Daten während der relevanten Stunden am Tag aufnimmt, standardmäßig von 07:30 Uhr bis 17:30 Uhr. Am Ende einer Arbeitswoche wird das Dosimeter vom Probanden an den Tablet-PC angeschlossen. Durch Eingabe eines Passworts startet das Auslesen sowie die Übertragung der Daten automatisch und ist nach wenigen Augenblicken beendet. Danach kann der Proband das Dosimeter über das Tablet laden. Die verschlüsselte Datenübertragung findet via UMTS oder WLAN an einen zentralen Datenbankserver statt. Dort werden die Daten gespeichert und an das IFA weitergeleitet. Damit erhält man wochenaktuelle Messwerte aus allen Regionen Deutschlands und kann nach Sichtung der Daten direkt technische Fehler erkennen. Sollte am Wohn- oder Einsatzort des Probanden keine Internet- oder UMTS-Verbindung vorhanden sein, werden die Daten auf dem Tablet-PC gespeichert. So ist auch ein völlig autonomer Betrieb des Systems mit einzelnen Einheiten möglich.
Info 3
Jahresexpositionswerte für Berufe auf dem Flughafenvorfeld
Die Jahresexpositionswerte, ausgedrückt in Standard-Erythem-Dosen (SED, 1 SED = 100 J/m²), stellen die über den Messzeitraum April bis Oktober 2015 ermittelten Werte dar, die dann unter Berücksichtigung der Jahresverteilung der Sonnenbestrahlung auf ein ganzes Jahr extrapoliert wurden ( Tabelle 3).
Weitere Infos
Pressemeldung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
www.dguv.de/ifa/fachinfos/strahlung/genesis-uv/index.jsp
Wittlich M: Technische Information zur Ermittlung in Berufskrankheiten (BK-)Fällen vor dem Hintergrund der neuen Berufskrankheit mit der BK-Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“
www.dguv.de/ifa/fachinfos/strahlung/optische-strahlung/index.jsp
DGUV und SVLFG: DGUV-Information 203-085: „Arbeiten unter der Sonne“
Für die Autoren
Dr. rer. nat. Marc Wittlich
Institut für Arbeitsschutz der DGUV
Alte Heerstraße 111
53757 Sankt Augustin