Infektionsschutz und Arbeitsschutz haben in den vergangenen Monaten zusammengewirkt. Manch andere Themen des Arbeitsschutzes sind dabei etwas in den Hintergrund getreten, deshalb aber nicht unwichtiger geworden. Nach wie vor ist die Bewältigung des demografischen Wandels auch ein Thema für den Arbeitsschutz. Es ist nicht effektiv, hier eher mit Erfahrungswissen im Betrieb nach geeigneten Arbeitsplätzen für Menschen mit Leistungseinschränkungen zu suchen.
Sascha Ullmann und Lars Fritzsche stellen in ihrem Beitrag zum Einsatz digitaler Menschmodelle eine Vorgehensweise vor, wie die Integration von Leistungsgewandelten zukünftig besser gelingen kann. Die Ausprägungen des Leistungswandels sind individuell sehr unterschiedlich, was die Autoren mit Anforderungsprofilen und Fähigkeitsprofilen in ihrer Vorgehensweise erfassen. Sie stellen die Integration von Leistungsgewandelten durch digitale Simulation bereits in der Planungsphase vor und ergänzen die bekannten Planungsgrößen der Ergonomie.
Kollaborative Robotersysteme werden zunehmend in der industriellen Praxis verwendet. Kollaborativ bedeutet, dass die Roboter ohne Schutzzaun verwendet werden können und sie mittels Sensorik den Menschen nicht verletzen, der sozusagen „Hand in Hand“ mit ihnen zusammenarbeitet. Die zulässigen Kontaktkräfte sind je nach Körperregion unterschiedlich, zum Beispiel am Kopf anders als an den Beinen. Grenzwerte mit zulässigen Kräften sind noch nicht in Simulationssoftware integriert, so dass die Einbindung von solchen Robotern aufwändig ist. Clara Fischer und Sebastian Schlund zeigen in ihrem Beitrag, wie Daten aus der relevanten Norm in Simulationssoftware integriert werden kann. Es kann ermittelt werden, an welchen Stellen Roboter und Mensch sich treffen und welchen maximalen Kräfte bzw. Geschwindigkeiten für ein sicheres Arbeiten zulässig sind.
Insgesamt werden die Möglichkeiten der Digitalisierung zunehmend auch für den Arbeitsschutz genutzt. Simon König und Koautoren stellen Möglichkeiten der virtuellen Realität vor. Erfolgen Nutzertests erst am Ende des Entwicklungsprozesses von Produkten, sind oft die Änderungsmöglichkeiten eingeengt. Mittels virtueller Prototypen kann bereits in einem frühen Entwicklungsstadium die Gebrauchstauglichkeit verbessert werden. Insbesondere mögliche so genannte „Fehlbedienungen“, die im Bereich der Medizinprodukte gravierende Folgen haben können, werden so bereits in einem frühen Entwicklungsstadium identifiziert.
Ein Gehörschutz für Kinder bei der Arbeit ist hoffentlich in unserer Gesellschaft nicht notwendig. Trotzdem gibt es natürlich auch Geräusche, vor denen Kinderohren geschützt werden sollen. Karsten Kluth berichtet in seinem Beitrag von nicht ganz verlässlichen Angaben auf den Gehörschützern. Es gilt aber auch hier: Ein Gehörschutz ist besser als keiner. Nachdem Workwear von Erwachsenen im Kindergarten über Grundschule bis in den Freizeitbereich „in“ ist, kann vielleicht Gehörschutz eine ähnliche Erfolgsstory werden. Es ist inzwischen „normal“, sich zu schützen und nicht die Ausnahme.
Methoden aus dem betrieblichen Change management finden inzwischen ihren Weg in den Arbeitsschutz. Gamification ist die Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung bei Anwenderinnen und Anwendern. Diese Zielsetzung „Verhaltensänderung und Motivationssteigerung“ ist auch im Arbeitsschutz von Bedeutung. Mariana Alvarado Garibay und Stefan Durrer stellen ein Beispiel vor, wie die Dosisbetrachtung von Gefahrstoffen in Schwere und Dauer einer körperlichen Aktivität erlebbar gemacht werden kann.
Dass mittels eines digitalen Lernspiels auch weit vom Arbeitsschutz entfernte Personen mit den Grundlagen von Sicherheit und Gesundheit in der Arbeitswelt vertraut gemacht werden können, wird im Beitrag von Nadine Rücker gezeigt.
Für den betrieblichen Arbeitsschutz hat die Weiterentwicklung des Methodeninstrumentariums zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen eine hohe Bedeutung. Die Anwendung der Verfahren der Ergonomie sind oft von der Qualifikation des Anwendenden anhängig. Ulrich Glitsch und Koautoren zeigen im wissenschaftlichen Teil auf, wie die Gefährdungsbeurteilung objektiviert werden kann.
Zu Beginn der Pandemie gab es eine bislang noch nicht dagewesene Form der Zusammenarbeit der Arbeitsschutz-Ausschüsse beim BMAS. In kurzer Zeit und mit viel Engagement wurde die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel erarbeitet und inzwischen auch mehrfach aktualisiert. Swaantje Casjens et al. berichten in ihrer Originalarbeit vom Zusammenwirken von Arbeits- und Infektionsschutz während der Corona-Pandemie.
Ihr Martin Schmauder
Professur Arbeitswissenschaft, TU Dresden