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Teil 1: Beschäftigte ohne Implantat
Risk assessment for workers exposed to electromagnetic fields at work –
Part 1: Workers without an implant
Kernaussagen
Gefährdungen durch EMF und Schutzziel der EMFV
Hinsichtlich möglicher Gefährdungen berücksichtigt die EMFV bekannte direkte biologische Wirkungen und indirekte Auswirkungen, die bei Exposition durch EMF im Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz auftreten können. Indirekte Auswirkungen umfassen unter anderem die Störung medizinischer Implantate, zum Beispiel Herzschrittmacher, oder Projektilwirkungen, ausgelöst durch die Kraftwirkung auf ferromagnetische Gegenstände in starken statischen Magnetfeldern. Bei den direkten Wirkungen ist je nach Frequenzbereich zwischen nicht-thermischen („Reizwirkungen“) und thermischen Wirkungen („Wärmewirkungen“) zu unterscheiden. Bis 100 kHz ist die wesentliche physiologische Wirkung die elektrische Stimulation (Reizung) von erregbarem Körpergewebe wie Nerven, Muskeln und Sinnesorganen. Beeinflussungen des zentralen oder peripheren Nervensystems können die Folge sein und diese können zu Schwindelgefühl, Übelkeit, metallischem Geschmack im Mund, Magnetophosphenen (Lichtempfindungen auf der Netzhaut) oder sogar unkontrollierten Muskelkontraktionen führen. Bei Frequenzen oberhalb von 100 kHz gewinnt die Erwärmung des Körpergewebes durch EMF zunehmend an Bedeutung und überwiegt oberhalb von 10 MHz. Eine zu hohe Exposition kann hierbei zu Gewebeschäden bis hin zu Verbrennungen führen. Hervorgehoben werden soll, dass sich alle Wirkungen, die in der EMFV berücksichtigt werden, auf bekannte Kurzzeitwirkungen von EMF beziehen, für die es eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisgrundlage gibt. Vielfach diskutierte Langzeitwirkungen sind nicht Gegenstand der EMFV.
Für die Bewertung möglicher Gefährdungen stellt die EMFV Expositionsgrenzwerte (EGW) zur Verfügung. Erst bei einer Überschreitung dieser maximal zulässigen Grenzwerte kann die Möglichkeit von gesundheitlichen Auswirkungen für Beschäftigte durch die Exposition von EMF nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. In der Praxis lässt sich die Einhaltung der EGW am Arbeitsplatz nicht ohne weiteres überprüfen, da es sich um Grenzwerte handelt, die sich auf physikalische Größen im Körperinneren beziehen. Die EMFV beinhaltet daher zusätzlich Auslöseschwellen (ALS), die von den EGW abgeleitet sind. Deren Einhaltung kann durch Messung der EMF am Arbeitsplatz überprüft werden. Bei Unterschreitung der ALS werden die zugehörigen Expositionsgrenzwerte ebenfalls nicht überschritten und das Schutzziel wird somit erreicht.
EMF am Arbeitsplatz
Da alle elektrisch betriebenen Geräte oder Maschinen EMF erzeugen und somit als EMF-Quelle angesehen werden können, ist die Vielfalt von Arbeitsmitteln, die EMF emittieren, sehr groß. Einfache Schreibtischlampen im Büro stellen ebenso eine EMF-Quelle dar wie große Induktionsöfen in einer Werkhalle. Allerdings gibt es signifikante Unterschiede in der Stärke der emittierten Felder. Bei der überwiegenden Zahl der EMF-Quellen treten Felder in einer geringen Stärke auf und es ist mit keiner Gefährdung für Beschäftigte zu rechnen. Man sollte aber auch die fortschreitende technologische Entwicklung und neue industrielle Anforderungen im Blick behalten. Diese können in Zukunft neue EMF-Quellen mit nicht unerheblichen Emissionen hervorbringen. Einen Überblick über einige typische Anwendungen beziehungsweise EMF-Quellen gibt ➥ Abb. 1.
Gefährdungsbeurteilung (GBU) mit Bezug zu EMF-Expositionen am Arbeitsplatz
Der Arbeitgeber ist verpflichtet festzustellen, ob Gefährdungen durch EMF am Arbeitsplatz von Beschäftigten vorliegen. Hierzu hat er eine Gefährdungsbeurteilung (GBU) fachkundig durchzuführen. Die vom Ausschuss für Betriebssicherheit erarbeiteten Technischen Regeln zur EMFV (TREMF; s. „Weitere Infos“) können hierbei als Handlungshilfe dienen. Sie konkretisieren die Anforderungen und Inhalte der EMFV. Die Anwendung der TREMF ist freiwillig. Es ist aber zu beachten, dass die TREMF als Bestandteil des untergesetzlichen Regelwerks Vermutungswirkung auslösen. Das bedeutet, dass Arbeitgeber bei Einhaltung der TREMF davon ausgehen können, die entsprechenden Anforderungen der EMFV zu erfüllen.
Da der Arbeitgeber in der Regel nicht über die notwendigen Kenntnisse hinsichtlich der Bewertung von elektromagnetischen Felder verfügt, kann er sich für die Durchführung der GBU fachkundig beraten lassen. Die TREMF zeigen hier zwei mögliche Varianten auf (➥ Abb. 2). Diese unterscheiden sich im Wesentlichen durch den erforderlichen Aufwand und die vorauszusetzende Fachkenntnis. Für den Fall einer vereinfachten GBU kann sich der Arbeitgeber durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit unterstützen lassen. Stellt sich heraus, dass eine vereinfachte GBU nicht ausreichend ist, muss die GBU von fachkundigen Personen nach § 2 Abs. 8 EMFV durchgeführt werden.
Im Folgenden werden Beispiele für die zwei Varianten der GBU aufgeführt. Für diesen Artikel können dabei nur die wesentlichen Aspekte der GBU im Rahmen einer verkürzten Darstellung wiedergegeben werden. Es wird betont, dass bei diesen Beispielen davon ausgegangen wird, dass keine Beschäftigten mit aktiven oder passiven Implantaten (Implantattragende) berücksichtigt werden müssen. Dieser Fall wird im Beitrag „Bewertung der Exposition von Beschäftigten durch elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz – Teil 2: Beschäftigte mit Implantat“ in dieser ASU-Ausgabe behandelt.
Am Beginn jeder GBU steht zunächst die Informationsermittlung, das heißt
a) Arbeitsort und Arbeitsplatz
b) Tätigkeitsanalyse, zum Beispiel Informationen zu
– durchzuführenden Tätigkeiten; Betriebszuständen während der Tätigkeiten,
– Abständen zu EMF-Quellen während der Tätigkeit (Arbeitspositionen) und
– vorhandenen Schutzmaßnahmen gegen Gefährdungen durch EMF-Expositionen;
c) Arbeitsmittel (EMF-Quellen).
a) TREMF NF/HF, Teil 1, Anhang 1, Tabelle A1.1 (für Beschäftigte ohne Implantat),
b) Herstellerangaben,
c) Standortbescheinigungen unter Angabe von standortbezogenen Sicherheitsabständen (z. B. Bundesnetzagentur, BNetzA) oder
d) vorhandenen Messberichten/Gefährdungsbeurteilungen
(Wichtig: Übertragbarkeit, Plausibilität und Informationsgüte prüfen!).
Das Ziel der Informationsermittlung ist die Beantwortung der Frage: Kann unter Verwendung der ermittelten Informationen eine Gefährdung durch EMF sicher ausgeschlossen werden?
Beispiel 1: Vereinfachte GBU an einem Büroarbeitsplatz (ohne Implantattragende)
Es sollen mögliche Gefährdungen durch EMF an einem typischen Büroarbeitsplatz beurteilt werden. Der Arbeitsplatz befindet sich im oberen Stock eines mehrgeschossigen Bürogebäudes. Die Beschäftigten führen dort bürotypische Tätigkeiten, wie allgemeine Verwaltungsaufgaben, Buchhaltung und Schriftverkehr aus.
Der erste Schritt besteht in der Begehung des Arbeitsplatzes, an dem folgende Arbeitsmittel vorhanden sind.
Zudem befindet sich auf dem Dach eines angrenzenden Gebäudes ein Mobilfunkstandort.
Im zweiten Schritt erfolgt dann eine Recherche, ob die gefundenen Arbeitsmittel in der Tabelle A1.1, Anhang 1 der TREMF NF/HF, Teil 1 aufgeführt sind. Diese Tabelle enthält eine allgemeine Bewertung der Expositionssituation von Beschäftigten gegenüber EMF. Die Bewertungsgrundlagen stellen die EGW und ALS nach Anhang 2 und 3 EMFV dar, die sich auf die Vermeidung direkter Wirkungen (Reizwirkungen, Wärmewirkungen) beziehen. Für EMF-Quellen, für die nach Tabelle A1.1 keine Bewertung erforderlich ist, kann bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Arbeitsmittel eine Gefährdung der Beschäftigten durch EMF sicher ausgeschlossen werden. ➥ Tabelle 1 enthält das Ergebnis der durchgeführten Recherche.
Aufgrund der Bewertung der zu erwartenden Expositionen nach Tabelle 1 kann eine Gefährdung der Beschäftigten durch direkte Wirkungen an diesem Arbeitsplatz sicher ausgeschlossen werden. Da keine Beschäftigten mit aktiven oder passiven Implantaten betrachtet werden müssen und keine starken statischen magnetischen Felder vorliegen, können auch indirekte Wirkungen ausgeschlossen werden.
Die Informationsermittlung ergibt somit, dass Gefährdungen durch EMF sicher ausgeschlossen werden können und keine Maßnahmen zu ergreifen sind. Daher wird in diesem Fall von einer vereinfachten GBU gesprochen, die nun mit der Dokumentation der Erkenntnisse abgeschlossen werden kann.
Beispiel 2: GBU an einem industriellen Arbeitsplatz (ohne Implantattragende)
Ein Beschäftigter an einem industriellen Arbeitsplatz führt verschiedene Tätigkeiten im Bereich der Fertigung und der Werkstatt aus. Zur Erfüllung seiner Aufgaben nutzt er eine Vielzahl diverser Arbeitsmittel. Exemplarisch dargestellt werden hier die Beurteilung der in ➥ Tabelle 2 aufgelisteten vorgefundenen EMF-Quellen. Grundsätzlich besteht bei den Arbeiten immer die Möglichkeit, dass sich der Beschäftigte den EMF-Quellen bis auf wenige Zentimeter nähert.
Wie in Beispiel 1 dargestellt, erfolgt zunächst eine Einordnung der zu erwartenden EMF-Exposition anhand der Tabelle A1.1 der TREMF NF, Teil 1, Anhang 1. Demnach ist für einige der Arbeitsmittel eine weitere Bewertung erforderlich, das heißt, es ist keine vereinfachte GBU möglich und der Arbeitgeber muss sich im Weiteren von einer fachkundigen Person nach § 2, Abs. 8 EMFV beraten lassen. Diese kann dann eine fachkundig durchgeführte Messung der magnetischen Felder an den EMF-Quellen veranlassen. Elektrische Felder können bei den genannten Arbeitsmitteln aufgrund der verwendeten Spannung am oder im Arbeitsmittel vernachlässigt werden.
Die Beurteilung der Exposition erfolgt anhand des Vergleichs der Werte der magnetischen Flussdichte und der anzuwendenden ALS. Demnach werden bei den netzbetriebenen Elektrohandwerkzeugen die ALS nicht überschritten und es sind keine weiteren Maßnahmen notwendig.
Am Entmagnetisiergerät und dem induktiven Anwärmgerät hingegen kann die untere ALS überschritten werden. Daher kann das Auftreten von sensorischen Wirkungen (Schwindelgefühl, Übelkeit, metallischer Geschmack im Mund, Magnetophosphene) nicht ausgeschlossen werden. Folglich sind zum Schutz des Beschäftigten Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel:
Die Aufzählung ist nicht abschließend. Weitere Maßnahmen nach TREMF sind möglich. Die Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Zum Abschluss werden wiederum die Ergebnisse dokumentiert.
Fazit
Die Arbeitsschutzverordnung (EMFV) und die zugehörigen Technischen Regeln (TREMF) definieren Anforderungen und stellen Hilfsmittel zur Verfügung, um diese Gefährdungen durch die Exposition durch elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz zu vermeiden.
Insbesondere die Hinweise und Tabellen der TREMF unterstützen bei der Durchführung der notwendigen Gefährdungsbeurteilung. Bei vielen Arbeitsplätzen ist eine Bewertung im Sinne einer vereinfachten Gefährdungsbeurteilung, wie im Beispiel „Büroarbeitsplatz“ gezeigt, möglich. Die EMF sind hier zwar als mögliche Gefahrenquelle zu betrachten, aber eben auch als solche schnell auszuschließen. Sollte eine vereinfachte Gefährdungsbeurteilung nicht ausreichend sein, so wird die Unterstützung einer fachkundigen Person benötigt, die, wie im Beispiel „industrieller Arbeitsplatz“ dargestellt, Messungen durchführen kann und Maßnahmen festlegt.
Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
doi:10.17147/asu-1-364790
Teil 2: Beschäftigte mit Implantat
Quellen und Weitere Infos
Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern – EMFV)
https://www.gesetze-im-internet.de/emfv/BJNR253110016.html
TREMF, Technische Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern
https://www.baua.de/DE/Angebote/Regelwerk/TREMF/TREMF.html
Internetangebot der Bundesnetzagentur (BNetzA): EMF-Monitoring
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.ht…
Fachinformationen „Elektromagnetische Felder“ vom Institut für Arbeitsschutz (IFA)
https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/strahlung/elektromagnetische-felder/i…
Koautoren
Florian Soyka
Ingo Bömmels
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V., Sankt Augustin