BK Nr. 5101: „Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“
Hauterkrankungen stellen mit die häufigsten arbeitsbedingt verursachten Erkrankungen in der Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dar (siehe „Weitere Infos“), so dass es naheliegt, dass Dermatosen auch zu den häufigsten Beratungsanlässen in der betriebsärztlichen Praxis zählen. Hierbei handelt es sich fast immer um Kontaktekzeme, die sich meistens an den Händen manifestieren (Diepgen 2012). Neben den häufigsten arbeitsbedingten Dermatosen in Form irritativer oder allergischer Kontaktekzeme der Hände können aber auch anlagebedingte Dermatosen wie eine atopische Dermatitis oder eine Psoriasis durch arbeitsbedingte Einwirkungen verschlimmert werden (Diepgen 2012). Besonders betroffene Berufsgruppen sind Gesundheitsberufe (z. B. in der Alten- und Krankenpflege, Physiotherapie, Massage), Körperpflegeberufe (z. B. in der Friseur- oder Kosmetikbranche), Berufe des Bauhandwerks, der Metallbearbeitung, der Nahrungsmittelsektor (z. B. Küchen, Bäckereien, Metzgereien), in der Floristik und im Gartenbau sowie in der Zahntechnik. Derartige arbeitsbedingt verursachte oder verschlimmerte Erkrankungsbilder werden versicherungsrechtlich unter der Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 geführt (Krohn et al. 2020).
Gesetzesänderung im Berufskrankheitenrecht zum 01.01.2021
Wesentliches Anerkennungsmerkmal war bislang der 1936 eingeführte Unterlassungszwang der schädigenden Tätigkeit. In Folge des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und anderer Gesetze vom 12.06.2020 ist nunmehr aber zum 01.01.2021 eine Reihe von Gesetzesänderungen bezüglich der Definition, der Prävention und der Entschädigung von Berufskrankheiten in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt 2020). Von wesentlicher Bedeutung für Hauterkrankungen ist der aus der Gesetzesänderung resultierende Wegfall des Unterlassungszwangs. Die BK Nr. 5101 lautet daher nunmehr: „Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“. Mit Wegfall des Unterlassungszwangs als Anerkennungskriterium wird künftig ein starker Anstieg der Zahl der rechtlichen Anerkennungen von Berufskrankheiten der Haut von zuletzt weniger als 400 jährlich auf mehrere Tausend pro Jahr erwartet (Krohn et al. 2020).
Durch die neue Gesetzesregelung erhalten viele Betroffene die rechtsverbindliche Anerkennung einer Berufskrankheit, ohne die gefährdende berufliche Tätigkeit aufgeben zu müssen. Darüber hinaus gewinnen die Individualpräventionsmaßnahmen, die bei arbeitsbedingten Hauterkrankungen seit Jahren in der Bundesrepublik praktiziert werden, an Bedeutung, da diese nach dem Willen der Gesetzgebung nunmehr verpflichtend sind (Bundesgesetzblatt 2020). Aufgrund der hohen Dunkelziffer arbeitsbedingter Hauterkrankungen ist aber davon auszugehen, dass ein Großteil der Betroffenen bislang die ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht in Anspruch nehmen konnte.
Hautarztverfahren und Betriebsärztlicher Gefährdungsbericht Haut
Werden berufsbedingte Hautkrankheiten früh erkannt, kann durch rasche Einleitung von dermatologischer Behandlung und individualpräventiven Maßnahmen in den meisten Fällen die ansonsten drohende Aufgabe der beruflichen Tätigkeit verhindert werden (Brans u. Skudlik 2019; Schneider et al. 2019). Nicht nur die betroffenen Versicherten selbst haben meist ein großes Interesse daran, dass sie ihre bisherige Tätigkeit weiterführen können; dies liegt insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels gerade in systemrelevanten Berufen wie der Kranken- und Altenpflege auch im Interesse des Allgemeinwohls.
Meldungen von Hauterkrankungen im Sinne der BK 5101 an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgen bislang
überwiegend mittels eines speziellen Formulars (Hautarztbericht), wodurch das so genannte Hautarztverfahren als wesentliches Element der Individualprävention arbeitsbedingter dermatologischer Erkrankungen eingeleitet wird (Brans u. Skudlik 2019; Schneider et al. 2019). Für die Meldung von arbeitsbedingten Hautkrankheiten durch Betriebsärztinnen und -ärzte wird der „Betriebsärztliche Gefährdungsbericht Haut“ – Vordruck F6060 empfohlen (Krohn et al. 2017; Empfehlung der Spitzenverbände der UV-Träger, des VDBW und der DGAUM, siehe „Weitere Infos“). Dieser wurde gemeinsam von DGUV, SVLFG, VDBW und DGAUM entwickelt und orientiert sich im Unterschied zum Hautarztbericht stärker an der betriebsärztlichen Tätigkeit. Unter anderem liegt der Schwerpunkt auf Präventionsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sowie der Anregung von Maßnahmen der Individualprävention einschließlich des Hautarztverfahrens (Zagrodnik 2013). Für die Erstattung des Berichts erhalten die meldenden Ärztinnen und Ärzte ein Honorar von 30,– EUR (gegebenenfalls zzgl. Umsatzsteuer und zzgl. Porto). Alternativ haben sie auch die Möglichkeit, einen Hautarztbericht (F 6050) zu erstatten. Die Vergütung erfolgt dann analog zum Abkommen zwischen Ärztinnen/Ärzten und den Unfallversicherungsträgern.
Individualprävention arbeitsbedingter Hauterkrankungen
Zur Prävention arbeitsbedingter Hauterkrankungen steht mit dem im Jahr 2004 eingeführten Verfahren Haut der DGUV bundesweit ein gestuftes Konzept zur Versorgung von Betroffenen mit arbeitsbedingten Hauterkrankungen zur Verfügung. Dieses Konzept, dem der Ansatz einer integrativen medizinisch-pädagogischen Gesundheitsförderung zugrunde liegt, gliedert sich – je nach Schweregrad der Hauterkrankung – modular in Maßnahmen der ambulanten und der stationären Individualprävention.
Maßnahmen der ambulanten Individualprävention umfassen
Für die Betroffenen geht das BG-liche Heilverfahren mit vielen Vorteilen einher: So können Behandlungsverfahren, die nicht zum Leistungskatalog gesetzlicher Krankenversicherungen gehören, erbracht werden, soweit sie zur Behandlung des Handekzems geeignet sind. In der Regel werden auch die Kosten, die für Basistherapien oder Hautpflegepräparate anfallen, übernommen, während Medikamentenzuzahlungen entfallen. Parallel zur hautfachärztlichen Behandlung werden die Betroffenen auf Veranlassung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zum Beispiel in speziellen Schulungs- und Beratungszentren branchenspezifisch zu hautschonendem Verhalten und Hautschutzmaßnahmen beraten. Im Zuge dieser Beratungen werden sie häufig mit Hautschutzprodukten und Schutzhandschuhen ausgestattet. Hierbei kann je nach betrieblicher Erfordernis und Exposition gegebenenfalls zwingend eine Abstimmung mit dem betriebsärztlichen Dienst notwendig sein und erfolgen.
Sofern die arbeitsbedingte Hauterkrankung im Zuge der ambulanten Individualprävention allein nicht positiv beeinflusst werden kann und sich das Krankheitsbild als klinisch schwer und chronisch, beispielsweise gekennzeichnet durch wiederholte oder lange Arbeitsunfähigkeitszeiten, darstellt, sind Maßnahmen der stationären Individualprävention angezeigt. Hierbei handelt es sich um Rehabilitationsmaßnahmen in berufsdermatologischen Spezialkliniken, in denen alle im Einzelfall erforderlichen diagnostischen, therapeutischen und Hautschutzschulungsmaßnahmen gebündelt umgesetzt werden (Brans u. Skudlik 2019). Stationäre und ambulante Individualprävention greifen hierbei aufeinander abgestimmt eng ineinander.
Die hohe Wirksamkeit dieses Präventionskonzepts für arbeitsbedingte Hauterkrankungen ist wissenschaftlich belegt. Die Maßnahmenangebote der ambulanten und der stationären Individualprävention stehen allen Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung in der Bundesrepublik bei entsprechender Indikation offen und sind für die Betroffenen kostenlos.
Meldung arbeitsbedingter Hauterkrankungen
Liegt der begründete Verdacht vor, dass es sich bei einer Hauterkrankung um eine schwere oder wiederholt rückfällige arbeitsbedingte Hauterkrankung handelt, besteht gemäß § 202 SGB VII für (Zahn-)Ärztinnen und Ärzte eine Anzeigepflicht zur Erstattung einer Berufskrankheiten-Anzeige (➥ Abb. 1; Krohn et al. 2020). Parallel zur Erstattung der Berufskrankheiten-Anzeige ist die rasche Überweisung an eine hautärztliche Praxis erforderlich, damit mittels Einleitung des Hautarztverfahrens (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger, siehe „Weitere Infos“) die dermatologische Prävention zu Lasten des Unfallversicherungsträgers eingeleitet werden kann. Hierbei ist aber davon auszugehen, dass in der Mehrzahl der Fälle im Rahmen eines betriebsärztlichen Erstkontakts noch nicht die besonderen, die Erstattung einer Berufskrankheiten-Anzeige begründenden Merkmale der Schwere oder der wiederholten Rückfälligkeit erfüllt sind, da beispielsweise noch nicht geprüft wurde, inwieweit eine wesentliche Besserung der Erkrankungsschwere durch angemessene Prävention und Therapie erzielt werden konnte (Skudlik et al. 2020). Selbst wenn die Hautkrankheit zwar als beruflich verursacht, aber nicht als schwer oder wiederholt rückfällig eingeordnet wird, besteht aber gemäß § 41 Abs. 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger für jede Ärztin/jeden Arzt der am Vertrag beteiligt ist, die Verpflichtung, Versicherte mit krankhaften Hautveränderungen, bei denen bereits die Möglichkeit besteht, dass daraus eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 entsteht, unverzüglich einer Hautärztin/einem Hautarzt vorzustellen. Ausschließlich Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner beziehungsweise Werks- und Betriebsärztinnen und -ärzte haben die zusätzliche Möglichkeit, ebenso wie Hautärztinnen und -ärzte, parallel auch einen Hautarztbericht zu erstatten beziehungsweise alternativ einen betriebsärztlichen Gefährdungsbericht Haut (Krohn et al. 2017; Zagrodnik 2013; Empfehlung der Spitzenverbände der UV-Träger, des VDBW und der DGAUM, siehe „Weitere Infos“).
Zu beachten ist, dass Hauterkrankungen, die durch bestimmte arbeitsbedingte Einwirkungen verursacht werden, nicht unter die BK Nr. 5101 fallen. Hierzu zählen unter anderem die BK Nr. 3101 („Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“), die BK Nr. 3102 („Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten“), die BK Nr. 5102 („Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe“) und die BK Nr. 5103 („Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“) (Skudlik u. John 2018). Bei derartigen Erkrankungen ist somit bei begründetem Verdacht stets eine ärztliche Berufskrankheiten-Anzeige zu erstatten.
Interessenkonflikt: Christoph Skudlik und Peter Elsner behandeln ambulant und stationär Versicherte im Auftrag verschiedener Unfallversicherungsträger, erstatten Gutachten zu unfallversicherungsrechtlichen Fragestellungen im Auftrag der Sozialgerichtsbarkeit und verschiedener Unfallversicherungsträger, und beraten die gesetzliche Unfallversicherung fachlich in verschiedenen Gremien.
Literatur
Brans R, Skudlik C: Prävention des Handekzems. Hautarzt 2019; 70: 797–803.
Bundesgesetzblatt (BGBl) Jahrgang 2020, Teil I Nr. 28, 23.06.2020. 1248–1284.
Diepgen TL: Berufsbedingte Hauterkrankungen. J Dtsch Dermatol Ges 2012; 10: 297–313.
Elsner P, Schliemann S: Die Abschaffung des „Unterlassungszwangs“ im Berufskrankheitenrecht: Konsequenzen für die Versorgung von Patienten mit beruflichen Hauterkrankungen. Ärzteblatt Thüringen 2020; 11: 29–32.
Krohn S, Bauer A, Brandenburg S, Palfner S, Römer W, Skudlik C: Update Hautarztbericht. Dermatol Beruf Umwelt 2017; 65: 86–95.
Krohn S, Drechsel-Schlund C, Römer W, Wehrmann W, Skudlik C: Rechtsänderungen bei Berufskrankheiten – Auswirkungen auf die dermatologische Praxis. Dermatol Beruf Umwelt 2020; 68: 145–148.
Schneider S, Krohn S, Drechsel-Schlund C: Individualprävention bei Hauterkrankungen – Eine Erfolgsgeschichte. Dermatol Beruf Umwelt 2019; 67: 148–153.
Skudlik C, John SM: Berufsdermatosen. In: Plewig G, Ruzicka T, Kaufmann R, Hertl M (Hrsg.): Braun-Falco‘s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 7. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 2018, S. 537–547.
Skudlik C, Krohn S, Bauer A et al.: Rechtsbegriff/Auslegung „Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung“ ab dem 1. Januar 2021. Beratungsergebnis der AG Bamberger Empfehlung. Dermatol Beruf Umwelt 2020; 68: 149–152.
Zagrodnik FD: Unfallversicherung und Betriebs- und Werksärzte: Zusammenarbeit bei Berufskrankheiten. DGUV-Forum 2013; 6: 14–15.
Weitere Infos
Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit
https://www.dguv.de/de/zahlen-fakten/bk-geschehen/bk-verdachtsanzeigen/…
Empfehlung der Spitzenverbände der UV-Träger, des VDBW und der DGAUM über die Einbeziehung der Betriebsärzte in Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit einschließlich von Maßnahmen nach §3 der Berufskrankheiten-Verordnung
https://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/betr_b…
Vertrag über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger)
https://www.kbv.de/media/sp/Vertrag_Aerzte-Unfallversicherungstraeger.p…
Link zu allen Formularen bzgl. Management und Meldung arbeitsbedingter Erkrankungen in der betriebsärztlichen Praxis und zum weiteren Informationsangebot der DGUV
https://www.dguv.de/de/versicherung/berufskrankheiten/hauterkrankungen/…
DGUV: BK-Info – Welche Erkrankung ist als Berufskrankheit zu melden?
https://www.dguv.de/bk-info/index.jsp
Koautor
An der Erstellung des Beitrags beteiligt war Prof. Dr. med. Peter Elsner, Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena.