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Studie zur Seroprävalenz von SARS-CoV-2-Antikörpern bei Beschäftigten in der ambulanten Pflege in Hamburg

C. Terschüren1

P. Stüven1,2

A. Schablon2

C. Wohlert2

O. Kleinmüller2

A. Nienhaus2

V. Harth1

(eingegangen am 05.11.2020, angenommen am 18.02.2021)

Study of seroprevalence of SARS-CoV-2 antibodies in employees in outpatient care services

Reports of infections and deaths due to COVID-19 show that residents of care homes are particularly at risk from the SARS-CoV-2 virus. However, in Germany many elderly people in need of care live at home and are cared for by outpatient services. So far there have been no studies of the possible spread of the virus or of infections of outpatient nursing staff. In Hamburg, Germany, employees of outpatient care providers can participate in a prospective, epidemiological observational study on antibody seroprevalence. The baseline ran from July to September 2020, with the participation of 682 caregivers from 51 care providers. A total of eleven persons tested positive. Antibody seroprevalence was 1.6%. Follow-up tests are planned after three, six, nine, and twelve month.

Keywords: SARS-CoV-2 virus – antibody seroprevalence – outpatient nursing
staff

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 56: 285 –286

Studie zur Seroprävalenz von SARS-CoV-2-Antikörpern bei Beschäftigten in der ambulanten Pflege in Hamburg

Die Meldungen zu Infizierten und Todesfällen durch COVID-19 zeigen, dass insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen durch das SARS-CoV-2-Virus gefährdet sind. Viele Pflegebedürftige leben jedoch auch zuhause und werden von ambulanten Pflegediensten betreut. Untersuchungen zur Ausbreitung des Virus in der ambulanten Pflege beziehungsweise zu Infektion bei ambulanten Pflegekräften liegen noch nicht vor. In Hamburg können die Beschäftigten der ambulanten Pflegedienste an einer prospektiven, epidemiologischen Beobachtungsstudie zur Seroprävalenz teilnehmen. In der Baseline von Juli bis September 2020 nahmen 682 Pflegekräfte aus 51 Pflegediensten teil. Insgesamt elf Personen wurden positiv getestet. Die Seroprävalenz liegt bei 1,6%. Follow-up Untersuchungen nach drei, sechs, neun und zwölf Monaten schließen sich an.

Schlüsselwörter: SARS-CoV-2-Virus – Seroprävalenz – ambulante Pflegekräft

Einleitung

Das Pflegepersonal im Gesundheitswesen ist in der SARS-CoV-2-Pandemie einem besonders hohen Infektionsrisiko ausgesetzt (Nguyen et al. 2020; Zhan et al. 2020). Bei pflegerischen Tätigkeiten kann zum Beispiel der räumliche Abstand von 1,5 m zu den Patientinnen und Patienten oder Pflegebedürftigen nicht gewahrt werden. Zugleich zeigten erste Studien zu Risikogruppen, dass Menschen über 60 Jahre, insbesondere Männer, vulnerabler gegenüber SARS-CoV-2-Infektionen sind (Wang et al. 2020; Jin et al. 2020; Möhner u. Wolik 2020). Aufgrund des altersbedingt schwächeren Immunsystems ist das Infektionsrisiko höher und die Erkrankungsverläufe sind schwerwiegender. Auch durch das Vorliegen von Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 2 oder Herzkreislauf- und Krebserkrankungen sowie durch Faktoren wie Adipositas und Rauchen besteht ein erhöhtes Risiko für schwerere Verläufe von COVID-19. Es wurde eine höhere Letalität bei Älteren und bei Personen mit chronischen Erkrankungen beobachtet (Guo et al. 2020).

Immer wieder gibt es Infektionsausbrüche in Pflegeheimen. In Niedersachsen wurden bis zum April 2020 in rund 80 Senioreneinrichtungen Infektionen nachgewiesen. Etwa ein Drittel aller Todesfälle durch COVID-19 in der ersten Welle ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Alten- und Pflegeheimen sowie anderen Betreuungseinrichtungen aufgetreten. In den Ländern Italien, Spanien, Irland, Belgien und Frankreich war nach einer Analyse der London School of Economics etwa die Hälfte aller durch COVID-19 bedingten Todesfälle (42–57 %) aus einer Pflegeeinrichtung gemeldet. Pflegebedürftige Menschen und Personen im hohen Lebensalter müssen besonders geschützt werden.

Da in der ambulanten Pflege die Möglichkeit besteht, dass das SARS-Cov-2-Virus von den Beschäftigten der Pflegedienste in die Häuser von Pflegebedürftigen getragen bzw. bei einem Hausbesuch eine Ansteckung erfolgt und das Virus weitergetragen wird, ist die Verbreitung in dieser Berufsgruppe von großem Interesse. Dem Erfassungssystem für SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Erkrankungen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) wurden bis zum 30.04.2020 insgesamt 7506 Fälle gemeldet. Für 4588 Fälle aus medizinischen Einrichtungen und Betreuungseinrichtungen lag zu dem Zeitpunkt ein Testergebnis vor. Davon wurde für 1576 (34,4 %) ein positives Testergebnis dokumentiert (Nienhaus et al. 2020). Eine Auswertung vom 05.06.2020 zeigte einen weiteren starken Anstieg der positiv Getesteten (n=4850). Im Bereich der stationären und ambulanten Pflege wurden 34,8 % (n=1688 von 4850) aller Fälle mit einem positiven Testergebnis erfasst (Nienhaus 2020). In den ambulanten Pflegediensten der Stadt Hamburg wurde daher eine epidemiologische Beobachtungsstudie zur Schätzung der Seroprävalenz aufgelegt.

Methode

Beschäftigte von ambulanten Pflegediensten in Hamburg konnten sich im Rahmen der Studie freiwillig in der Baseline der Studie vom 1. Juli 2020 bis zum 30. September 2020 Blut für einen Antikörpertest abnehmen lassen. Die Pflegedienste wurden mit einem Anschreiben an die Pflegedienstleitungen über die Studie informiert. Teilnehmen konnten ausschließlich die in Hamburg ansässigen ambulanten Pflegedienste, stationäre Einrichtungen wurden nicht einbezogen. Nach aktiver telefonischer oder schriftlicher Interessenbekundung beim Studienzentrum wurde der jeweilige ambulante Pflegedienst in die Studie eingeschlossen, unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten beziehungsweise der Anzahl der betreuten Pflegebedürftigen. Die Beschäftigten erhielten Informationsmaterial (Flyer, Teilnehmerinformation, Info-Telefon) zum Ziel und zum Ablauf der Studie. Interessierte Beschäftigte der Pflegedienste konnten sich bei den Pflegedienstleitungen und direkt beim Studienzentrum für einen Termin zur Blutabnahme anmelden. Jede teilnehmende Person erhielt vorab einen Fragebogen, in dem soziodemografische Angaben, mögliche Ansteckungswege am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld sowie Symptome und Belastungen erhoben wurden.

Die Blutabnahme erfolgte durch ein mobiles Team an den Standorten der Pflegedienste. Konnten diese Termine von Beschäftigten nicht wahrgenommen werden, wurden Nachholtermine in den beteiligten Instituten angeboten. Die Blutproben wurden in einem akkreditierten Labor mit Enzyme-linked Immunosorbent Essay (ELISA) auf SARS-CoV-2-IgG (S1) untersucht (EUROIMMUN®, Lübeck). Bei einem positiven Testergebnis wurde der Befund mit dem Roche® Elecsys SARS-CoV-2 überprüft. Bei einem positiven Befund in beiden Tests wurde von einer abgelaufenen Infektion ausgegangen und die getestete Person als positiv dokumentiert. Den Teilnehmenden wurde das Testergebnis schriftlich mitgeteilt.

Ergebnis

In der 3-monatigen Baseline-Phase konnte bei 51 der ambulanten Pflegedienste aus der Gelegenheitsstichprobe mit aktiver Anmeldung zur Studie ein Termin zur Blutabnahme durchgeführt werden (12,5 % aller Pflegedienste in Hamburg, n=409). In den drei Monaten (Juli bis September 2020) wurden insgesamt 682 Beschäftigte dieser 51 Pflegedienste auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 getestet, davon 553 Frauen (81,1 %) und 129 Männer (18,9 %). Der Altersdurchschnitt lag bei 45,3 Jahren. Der größte Anteil (33,6 %) gehörte zum Zeitpunkt des Einschlusses in die Studie zur Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen (Tabelle 1).

Einen positiven Befund auf der Basis der eingesetzten Testverfahren erhielten elf von 682 Teilnehmenden. Die Seroprävalenz anhand von zwei positiven Testbefunden liegt in dieser Gruppe der ambulanten Pflegekräfte bei 1,6 % (95%-KI 0,7–2,5).

Diskussion

Die in der Baseline der Studie ermittelte Seroprävalenz von 1,6 % spiegelt das geringe Infektionsgeschehen nach den Maßnahmen zur Eindämmung der ersten Welle der Pandemie wider. Diese geringe Prävalenz zeigen auch andere Studien, die in Deutschland bei Beschäftigten durchgeführt werden. Auch in der Studie zur Seroprävalenz bei Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes der Stadt Bremen war der Anteil der positiv Getesteten (n=6 von 281, 2,1 %) gering (Neumann et al. 2020). Die prospektive epidemiologische Studie der Deutschen Bahn Fernverkehr AG, in der zwischen dem 29.06. bis 03.07.2020 und 1073 Mitarbeitende getestete wurden, zeigte positive IgG-Tests für 1,3 % des getesteten Zugbegleitpersonals, für 2,5 % der Triebfahrzeugführenden und für 3,0 % der Werke-Handwerker (Schultz-Heienbrok 2020).

Schlussfolgerung und Fazit

Es kann auf der Basis der beobachteten Seroprävalenz in der Studie angenommen werden, dass in dem untersuchten Zeitraum im Sommer 2020 die Ansteckungsgefahr für Pflegebedürftige durch die Beschäftigten der ambulanten Pflegedienste in Hamburg gering war. In Folgeuntersuchungen jeweils nach drei Monaten wird das Infektionsgeschehen in der Gruppe der teilnehmenden Pflegedienste weiter beobachtet. Diese Untersuchungen sind notwendig, da die Pandemie andauert, sich die Dynamik der Ausbreitung derzeit stark verändert hat und in eine zweite Welle übergegangen ist.

Interessenkonflikt: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Literatur

COVID-19: Ein Drittel aller Toten in Alteneinrichtungen. Deutsches Ärzteblattt, News, Politik. 2020; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112180/COVID-19-Ein-Drittel-alle… (erschienen 22.04.2020, aerzteblatt.de).

EUROIMMUN Medizinische Labordiagnostika AG;  https://www.coronavirus-diagnostik.de/antikoerpertestsysteme-fuer-covid… (Lübeck, letzter Zugriff: 02.10.2020).

Guo G, Ye L, Pan K et al.: New insights of emerging SARS-CoV-2: Epidemiology, etiology, clinical features, clinical treatment, and prevention. Front Cell Dev Biol 2020; 8: 410.

Jin JM, Bai P, He W et al.: Gender differences in patients with COVID-19: Focus on severity and mortality. Front Public Health 2020; 8: 152.

Möhner M, Wolik A: Kurzmitteilung, Berufs- und branchenbezogene Unterschiede im COVID-19-Risiko in Deutschland. Dtsch Ärztebl 2020; 117: 2.

Neumann J, Zeeb H, Dotzauer A, Janssen-Weets O: Geringe anti-SARS-CoV2-Seropärvalenz unter Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Bremen. ASU Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 2020; 55: 515–516.

Nguyen LH, Drew DA, Graham MS et al.: Risk of COVID-19 among front-line health-care workers and the general community: a prospective cohort study. Lancet Public Health 2020; 5: e475–e83.

Nienhaus A, Altenburg C, Bokemeyer B, Schedlbauer G, Stranzinger J: Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 376–381.

Nienhaus A. Update: Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 446–448.

Roche Deutschland Holding GmbH, https://www.roche.de/diagnostics/tests-parameter/elecsys-anti-sars-cov-… (Mannheim, letzter Zugriff: 02.10.2020).

Schultz-Heienbrok R: Studie der DB Fernverkehr AG zu Corona-Infektionen und Corona-Immunitäten ihrer Mitarbeiter (COVID-19), Epidemiologischer Kurzbericht Version 1.3. Berlin: Charité Research Organisation GmbH; erschienen: 4.9.2020.

Wang D, Hu B, Hu C et al.: Clinical characteristics of 138 hospitalized patients with 2019 novel Coronavirus-infected pneumonia in Wuhan, China. JAMA 2020; 323: 1061–1069.

Zahl der COVID-19-Toten in Pflegeheimen stark unterschätzt. Deutsches Ärzteblatt. 2020; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111955/Zahl-der-COVID-19-Toten-i… (erschienen 14.04.2020, aerzteblatt.de).

Zhan M, Qin Y, Xue X, Zhu S: Death from Covid-19 of 23 Health Care Workers in China. N Engl J Med 2020; 382: 2267–2268.

Kontakt

Dr. Claudia Terschüren, MPH
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), AG Epidemiologie
Seewartenstraße 10, 20459 Hamburg
c.terschueren@uke.de