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Vorstellung des aktuellen Entwicklungsstands eines Software-Prototyps für ein dynamisches ­Pausenmanagement

Dynamische Pausen im ­­Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Funktion der Pause

Eine Übersichtsarbeit von Wendsche u. Lohmann-Haislah (2016) zeigt, dass Arbeitspausen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit, das Befinden, die Motivation und die Leistung von Beschäftigten haben und das Risiko für Arbeitsunfälle, Fehlzeiten oder Fluktuation reduzieren können. Die Studienlage zur Wirkung von Kurzpausen verdeutlicht, dass zusätzliche Pausen mit einer Länge von weniger als 15 Minuten einen förderlichen Effekt auf die Reduktion und Prävention von muskuloskelettalen Beschwerden beziehungsweise Erkrankungen und stressbezogenen kardiovaskulären Indikatoren sowie auf die Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung haben können. Einzelne Befunde deuten darauf hin, dass Kurzpausenregime eine beanspruchungsoptimierende Wirkung haben und tätig­keitsunabhängig zu einer geringeren kardiovaskulären Aktivierung führen. Hinsichtlich der zeitlichen Freiheitsgrade bei der Pausenorganisation zeigt sich darüber hinaus, dass selbstorganisierte kurze Pausen häufig zu spät, das heißt erst bei erlebten körperlichen Beschwerden genommen werden. Empfehlungen zu weiterer Forschung bestehen darin, neben Selbstberichten auch physiologische Methoden zur Abschätzung der Effekte von Arbeitspausen auf das Erschöpfungs- beziehungsweise Erholungserleben einzubeziehen.

Logistik im Wandel

Die Flexibilitätsanforderungen an die Logistik steigen stetig und haben veränderte organisatorische Prozessabläufe oder betriebliche Informationsstrukturen zur Folge. Hinzu kommt die Digitalisierung von Prozessen und die vermehrte Einführung neuer Technologien oder IT-Systeme (Kretschmer 2020). Der Mensch bleibt dank seiner Geschwindigkeit, Flexibilität und seines Wissens- und Erfahrungsschatzes eine wertvolle Ressource und ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor im Unternehmen, den es zu integrieren gilt (Grosse et al. 2017). Trotz der permanenten Wandlungsanforderungen dominieren im Bereich der Logistik vorwiegend starre Arbeitszeit- beziehungsweise Pausenmodelle. Am Beispiel der Lagerwirtschaft in Deutschland wird deutlich, dass die Beschäftigten mit häufig auftretenden psychischen und physischen Arbeitsanforderungen konfrontiert sind, die zu Fehlbeanspruchungen führen können (Kretschmer 2020). Ein Ziel des Projekts der „Dynamischen Pause“ ist es, die Arbeitszeitorganisation in Unternehmen nicht nur an die unternehmensinternen Prozesse und Anforderungen der Logistik, sondern auch an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen.

Das Entwicklungsprojekt ­„Dynamische Pause“

Der Software-Prototyp „Dynamische Pause“ hat zum Ziel, Arbeitspausen auf die individuellen Belange der Mitarbeitenden auszurichten und den Anforderungen aus der Logistik nachzukommen. Die gezielte, technikbasierte Empfehlung von Kurzpausen in Abhängigkeit der individuellen Beanspruchung der Beschäftigten kann positive Effekte auf deren Pausenverhalten haben und somit als Präventionsmaßnahme im Unternehmen dienen. Im Rahmen der Forschungsinitiative „Silicon Economy Logistics Ecosystem“, in der Open-Source-Anwendungen im Bereich von Logistik und Supply Chain Management entstehen, wird eine Softwarelösung entwickelt, die dazu dient, Stress präventiv anhand individueller Vitalparameter vorherzusagen sowie in Abstimmung mit den unternehmensinternen Prozessen kurze Pausen zu empfehlen und diese gleichzeitig intelligent zu steuern.

Mit handelsüblichen Sensorarmbändern werden Vitaldaten der Beschäftigten gemessen, die Rückschlüsse auf körperliche Stressreaktionen beziehungsweise auf die zugrunde liegende Aktivierung des sympathischen Nervensystems während der Ausübung von Arbeitstätigkeiten zulassen. Hierzu zählen zum Beispiel Herz- und Pulsinformationen, die elektrodermale Aktivität sowie die Periphertemperatur (Rösler 2001). Die psychophysiologischen Messdaten und deren zeitliche Veränderungen werden explorativ mit Methoden künstlicher Intelligenz (KI) analysiert. Hierbei werden verschiedene Modelle maschinellen Lernens, wie der Feature-basierte Ansatz und der Rohdaten-basierte Ansatz der Zeitreihenklassifikation, auf ihre Güte getestet (Nielsen 2019).

Die Verwendung von KI als Analysemethode unterscheidet sich von den regelbasierten Analyseverfahren psychophysiologischer Indikatoren dahingehend, dass komplexe Modelle zur Entscheidungsfindung algorithmisch auf einer empirischen Stichprobe automatisiert ermittelt werden können. Der Einsatz von KI soll basierend auf der Valenz (positiv versus negativ), dem Ausmaß und Kombinationen verschiedener Vitalparameter Rückschlüsse auf kurzfristige mentale und körperliche Stressreaktionen ermöglichen. Im Vorhersagemodell wird der Einfluss personenbezogener Faktoren, wie Alter und Geschlecht, berücksichtigt.

Im Folgenden wird der aktuelle Entwicklungsstand eines Software-Prototyps für ein dynamisches Pausenmanagement vorgestellt. Die IT-Architektur der „Dynamischen Pause“ besteht aus drei verschiedenen Software-Basiskomponenten (➥ Abb. 1):

  • eine App für den Mensch-Technik-Dialog mit Verknüpfung zu einem Sensorarmband, das die Vitaldaten der Beschäftigten aufzeichnet,
  • der Stressdetektionsservice zur Detektion von Stressmustern in den Vitaldaten auf Basis von KI-Methoden,
  • der Ressourcenmanagementservice zur Verwaltung von Pausenanfragen der Beschäftigten über die App und von Pausenempfehlungen des Stressdetektionsservice .
  • Für eine bessere Verfügbarkeit und Performance der IT-Leistungen werden Teile der Informationsarchitektur der Software der „Dynamischen Pause“ (Komponenten Nr. 2 und 3) in eine sichere Cloud-Lösung ausgelagert, das heißt, Speicherplatz, Rechenleistung und Anwendungssoftware werden internetbasiert bereitgestellt und verwaltet. Der Quellcode der Software-Basiskomponenten aus dem Entwicklungsprojekt „Dynamische Pause“ wird zu Projektende über eine Open-Source-Plattform innerhalb der Forschungsinitiative „Silicon Economy Logistics Ecosystem“ der Öffentlichkeit zur freien Nutzung zugänglich gemacht.

    Pausen mit einer App empfehlen

    Zur Realisierung der Schnittstelle zwischen Mensch und IT-Umgebung wurde im Rahmen des Entwicklungsprojekts „Dynamische Pause“ eine Smartphone-basierte App entwickelt. Diese nimmt die über das Sensorarmband gemessenen Vitalinformationen auf und kommuniziert mit den verschiedenen Cloud-Diensten (vgl. Abb. 1). Über die App-Anwendung erhalten Nutzende alle für ihren aktuellen Arbeitstag notwendigen Informationen. Dies sind unter anderem die Gesamtarbeits- und Gesamtpausenzeit über den Tag, die aktuelle Pausenzeit, der aktuelle Status der individuellen Vitalparameter sowie Pausenempfehlungen (➥ Abb. 2). Über die App können zudem empfohlene Pausen abgelehnt und Pausen proaktiv angefragt werden.

    Abb. 2:  Interfacedesign des Hauptbildschirms der App „Dynamische Pause“. Links: Startbildschirm, Sensorarmband ist verbunden. Mitte: Vitaldaten werden in Echtzeit angezeigt, Zeitaufnahme wurde gestartet. Rechts: symbolbasiertes Format (Quelle: Fraunhofer IML, eigene Darstellung)

    Abb. 2: Interfacedesign des Hauptbildschirms der App „Dynamische Pause“. Links: Startbildschirm, Sensorarmband ist verbunden. Mitte: Vitaldaten werden in Echtzeit angezeigt, Zeitaufnahme wurde gestartet. Rechts: symbolbasiertes Format (Quelle: Fraunhofer IML, eigene Darstellung)

    Interfacedesign der App

    Bei der Entwicklung des Interfacedesigns wurde die internationale Norm ISO 9241 „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“ berücksichtigt, um die Gebrauchstauglichkeit der eingesetzten Technologien zu erhöhen und die Bedienung effizient, effektiv und zufriedenstellend zu gestalten (DIN EN ISO 9241-110). Ziel war es, die Mensch-System-Interaktion von vornherein ergonomisch zu gestalten, so dass nachträgliche Anpassungen durch die Nutzenden nicht erforderlich sind.

    Beschäftigte starten ihren Arbeitstag mit einer Betätigung des entsprechenden Buttons auf dem Hauptbildschirm der App (vgl. Abb. 2, links). Diese Aktion startet die Zeitmessung der gesamten Arbeitszeit in Form einer Stoppuhr (vgl. Abb. 2, Mitte). Im oberen Bereich des Menüs wird die verfügbare Gesamtpausenzeit angezeigt, die vom Unternehmen vorgegeben wird, sowie die tagesaktuelle Pausenanzahl. Parallel startet mit dem Beginn des Arbeitstages die Aufnahme der Vitaldaten über das angelegte Sensorarmband. Zu diesem Zeitpunkt besteht eine permanente Kommunikation zwischen dem Smartphone und der serverseitigen KI, die kontinuierlich die gesendeten Vitaldaten auswertet (vgl. Abb. 2, Mitte).

    Sobald die cloudbasierte KI in den Vitaldaten Musterkombinationen von Stresszuständen feststellt und die bestehende Auftragslast es zulässt, teilt die App den Beschäftigten eine Pausenempfehlung in Form akustischer und haptischer Signale mit. Diese kann daraufhin entweder direkt angenommen und die Pause begonnen oder mit der programmierten „Snooze“-Funktion verschoben werden. Um eine Entscheidung treffen zu können, erscheint im Hauptbildschirm ein hervorgehobenes Fenster, in dem die Beschäftigten ihre Auswahl bestätigen können. Im Falle eines Pausenaufschubs wird zu einem späteren Zeitpunkt erneut durch die App an eine Pause erinnert, wobei an dieser Stelle wiederum die Wahl besteht, die Pause anzunehmen oder zurückzustellen. Zum Abschluss des Arbeitstages wird die Aufnahme der Vitaldaten und die Kommunikation mit den Cloud-Diensten über die Betätigung des dafür vorgesehenen Buttons beendet (vgl. Abb. 2, Mitte).

    Neben dem vorgestellten funktionellen App-Design werden weitere Möglichkeiten der zukünftigen App-Gestaltung erforscht, die sich von klassischen Darstellungen digitaler Zeitangaben abgrenzen. Es ist ein symbolbasiertes Design mit einem zentralen, konzentrischen Hauptelement in Form eines Pausenzeichens entstanden, das den Fokus auf eine intuitive Bedienung legt (vgl. Abb. 2, rechts). Das auf dem Hauptbildschirm mittig platzierte Hauptelement des Pausenzeichens ist von einem dynamischen Balken eingefasst, der den zeitlichen Fortschritt des Arbeitstages visualisiert.

    Stress präventiv vorhersagen

    Der cloudbasierte Service zur Stresserkennung ist die Schnittstelle zum zentralen Akteur in der Logistik – dem Menschen (vgl. Abb. 1). Nach Transferierung und Zwischenspeicherung der Vitaldaten in der App werden diese an den Cloud-Dienst weitergegeben. Mittels spezieller KI-Methoden, die Muster in den Vitalparametern erkennen, werden eine individuelle Analyse des Stresslevels und die Prognose eines Stressmaximums aufgestellt. Auf Basis dieser Informationen sendet der Stressdetektionsservice eine Pausenanfrage an den cloudbasierten Ressourcenmanagementservice.

    Vor dem Hintergrund der COVID-19-Situation wurde für die Auswahl und das Training von KI-Analysemethoden zunächst eine umfangreiche Laborstudie konzipiert, in der den Teilnehmenden unterschiedliche mentale und körperliche Aufgaben gestellt wurden. Ziel war es, einen Pool an anonymisierten Rohdaten verschiedener Vitalparameter zu erstellen, die durch angewandte KI-Methoden Aufschluss über die Verläufe der Vitaldaten in Ruhe und unter mentaler beziehungsweise körperlicher Belastung geben. Für die Analyse der Rohdaten der verschiedenen Vitalparameter werden verschiedene Methoden des maschinellen Lernens angewendet und getestet, die während der Ausübung der Ruhe- und Aktivitätsphasen Muster in den Daten erkennen sollen (Nielsen 2019). Zur Verbesserung der Genauigkeit der Mustererkennung in den Daten werden die aktuelle Stimmungslage, die Intensität der körperlichen und mentalen Anforderungen sowie die gefühlten Stressreaktionen mit validierten Fragebögen bewertet. Auf Basis eines aus diesen Daten generierten Modells soll der erste Prototyp eines cloudbasierten Dienstes zur Stresserkennung funktionieren. Zur Verbesserung der Genauigkeit einer Stressvorhersage ist geplant, den Datenpool im Rahmen von Feldstudien mit Vitaldaten von Beschäftigten aus dem realen betrieblichen Logistiksetting zu erweitern.

    Pausenanfragen intelligent ­verwalten

    Für die Abwicklung von Aufträgen in der Logistik spielt die Steuerung der Mitarbeiterressourcen und deren Verfügbarkeiten eine wichtige Rolle. Der cloudgestützte Ressourcenmanagementservice registriert alle eingehenden Pausenanfragen, das heißt sowohl die individuellen Anfragen der Mitarbeitenden über die App als auch die Pausenempfehlungen durch den Stresssetektionsservice (vgl. Abb. 1). Ziel des Ressourcenmanagementservice ist es, dass eingehende Pausenanfragen und zu bearbeitende Aufträge gleichermaßen berücksichtigt und intelligent gesteuert werden. Auf Basis der aktuellen Verfügbarkeiten der Beschäftigten und in Abhängigkeit der Auftragslast entscheidet der Dienst in Abstimmung mit der Schichtleitung, ob angefragte Pausen zum gegebenen Zeitpunkt möglich sind. Über die App erhalten die Beschäftigten eine Bestätigung ihrer angemeldeten Pause beziehungsweise eine Pausenempfehlung auf Basis ihrer Vitaldaten. Am Beispiel der Lagerwirtschaft sieht die zukünftige Weiterentwicklung eine direkte Kommunikation mit Lagerverwaltungssystemen vor, um über die Verfügbarkeit hinaus die Auftragsvergabe effizienter zu gestalten.

    Chancen und Herausforderungen in der Praxis

    Mit einer dynamischen Pausenorganisation wird angestrebt, das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten zu berücksichtigen und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des Betriebs aufrechtzuerhalten. Langfristig sollen Krankenstände, Fehlerraten und Arbeitsunfälle reduziert werden.

    Das Unternehmen ist gemäß seiner öffentlich- sowie privatrechtlichen Fürsorgepflichten, die sich beispielsweise aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergeben, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Belegschaft verpflichtet. Die Softwarelösung „Dynamische Pause“ bietet Unternehmen die Möglichkeit, den Anforderungen an die Mindestpausenlänge in Abhängigkeit der Arbeitszeit und an die Verteilung der Gesamtpausenzeit gerecht zu werden und dabei einer gesundheitsschädigenden Überanstrengung der Arbeitnehmerschaft entgegen zu wirken. Zudem können individuelle und arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen von Pausen berücksichtigt und negative Beanspruchungsfolgen wie Stress präventiv vermieden werden. Neben den technikbasierten Pausenempfehlungen bleibt das Mitspracherecht der Beschäftigten erhalten, das heißt, über die App können Pausen proaktiv angefragt und empfohlene Pausen abgelehnt werden.

    Unter Einsatz explorativer Experteninterviews wurden zwei Unternehmen nach möglichen Chancen und Herausforderungen bezüglich der Integration der „Dynamischen Pause“ in die bestehende Arbeitsorganisation im Bereich der Kommissionierung gefragt (Mättig et al. 2020). Die Motivation bestand darin, unter Berücksichtigung der individuellen Leistungs- und Belastungsgrenzen die Gesundheit, Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Produktivität der Beschäftigten langfristig zu erhalten. Neben der Reduzierung des Krankenstandes wurde als Mehrwert eine effizientere Ausübung der Arbeitstätigkeiten und Optimierung der laufenden Kommissionier- oder Verpackungsprozesse unter Berücksichtigung der Mitarbeiterbelange sowie der flexiblen Anforderungen in der Intralogistik gesehen. Weitere potenzielle Vorteile der individualisierten Pausenempfehlung sind die Steigerung der Erholungsfunktion von Pausen sowie eine Verbesserung des Gesundheitsbewusstseins der Beschäftigten. Als Herausforderungen wurden im Rahmen der Interviews das Thema des Datenschutzes und der Datensicherheit beim Umgang mit den sensiblen personenbezogenen Daten der Beschäftigten sowie die Integration der dynamischen Pausenempfehlungen in die bestehenden Prozessabläufe gesehen (Mättig et al. 2020). Zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zum Datenschutz und zur Datensicherheit beim Umgang mit personenbezogenen Daten wird ein Datenschutzkonzept gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erarbeitet. Der sichere Umgang mit sensiblen Daten stellt ein entscheidendes Akzeptanzkriterium seitens der Belegschaft und der Führungskräfte dar. Darüber hinaus besteht in der realen Umsetzung möglicherweise ein Akzeptanzproblem dahingehend, dass sich Beschäftigte trotz Datenschutzkonzept überwacht fühlen und das fehlende Vertrauen in die Sicherheit und Verwendung der eigenen Daten zu zusätzlichem Leistungsdruck führen kann.

    Limitationen einer KI-basierten dynamischen Pausenregelung bestehen unter anderem in der vorhandenen Datenbasis sowie in der Auswahl und des Tunings des verwendeten Analysemodells. Die Daten in der Unternehmenspraxis könnten massiv von den Daten abweichen, mit denen das KI-Modell trainiert wurde und somit ungenaue oder falsche Stressvorhersagen treffen. Diesem Problem wird begegnet, indem die Datenbasis durch objektive und subjektive Stressdaten aus realen Arbeitssituationen mit mentalen und physischen Tätigkeiten erweitert wird. Ein weiterer limitierender Aspekt ist, dass menschliche Stresssymptome äußerst vielfältig und individuell sind und daher nur näherungsweise subjektiv abgebildet werden können. Aus diesem Grund ist die Evaluation einer längeren Belastungsexposition von Beschäftigten und der damit verbundenen Stresswahrnehmung in Form von Feldstudien geplant. Der zum Teil vorhandenen Skepsis vor technologischen Entwicklungen, wie der künstlichen Intelligenz, wird mit einer gestaltungsorientierten und multiperspektivischen Herangehensweise für eine bessere Nachvollziehbarkeit und Sicherheit begegnet.

    Bei der Einführung und Anwendung der „Dynamischen Pause“ in der betrieblichen Praxis ist zu beachten, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben abstimmen und eine Betriebsvereinbarung aufsetzen. In dieser sollte die Zweckbestimmung der eingesetzten Softwarelösung „Dynamische Pause“ benannt sein; zum Beispiel sollte die Verhaltens- und Leistungskontrolle der Belegschaft ausgeschlossen oder genau definiert werden, wer Einsicht in welche Daten erhält. Zudem hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Pausenorganisation sowie hinsichtlich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und kann den mitarbeiterorientierten Einsatz der Software gewährleisten.

    Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

    Literatur

    DIN EN ISO 9241-110:2008-09, Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung (ISO 9241-110:2006); Deutsche ­Fassung EN ISO 9241-110:2006. Berlin: Beuth, 2008.

    Grosse EH, Glock CH, Neumann WP: Human factors in order picking: a content analysis of the literature.
    Int J Prod Res 2017; 55: 1260–1276.

    Kretschmer V: Die Rolle des Menschen in der digitalen Arbeitswelt: Erkenntnisse industrienaher Forschungsprojekte am Beispiel der Logistik. In Herbstkonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (GfA) 2020 „Stellenwert menschlicher Arbeit im Zeitalter der digitalen Transformation“, 17.–18. September 2020, Dortmund: GfA-Press, 2020.

    Mättig B, Klöcker S, Kretschmer V: Dynamische Pause: Potentiale und Realisierbarkeit einer Vitaldatenmessung zur Stressprävention aus Unternehmenssicht. In: 66. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft „Digitale Arbeit, digitaler Wandel, digitaler Mensch?“, 16.–18. März 2020, Berlin, Dortmund: GfA-Press, 2020.

    Nielsen A: Practical time series analysis: Prediction with statistics and machine learning. Sebastopol: O‘Reilly Media, Inc., 2019.

    Wendsche J, Lohmann-Haislah A: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Pausen. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), 2016.

    Rösler F (Hrsg.): Grundlagen und Methoden der Psychophysiologie (Band 4), Enzyklopädie der Psychologie (Serie 1: Biologische Psychologie). Göttingen: Hogrefe, 2001.

    Weiterführende Infos

    Das Projekt „Silicon Economy Logistics Eco­system“ wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert.
    Das Entwicklungsprojekt „Dynamische Pause“ ist Bestandteil der Forschungsinitiative.

    Kernaussagen

  • Die „Dynamische Pause” verfolgt das Ziel, mittels individueller Pausenempfehlungen langfristig die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Sicherheit von Beschäftigten in der Logistik zu erhalten.
  • Mit handelsüblichen Sensorarmbändern werden Vitaldaten der Beschäftigten gemessen, die Rückschlüsse auf körperliche Stressreaktionen zulassen.
  • Die psychophysiologischen Messdaten und deren zeitliche Veränderungen werden mit Methoden künstlicher Intelligenz (KI) analysiert und Stress präventiv vorhergesagt.
  • In Abstimmung mit unternehmensinternen Prozessen werden den Beschäftigten kurze Erholungspausen empfohlen.
  • Koautorenschaft

    An der Erstellung des Beitrags beteiligt ­waren Michael Fiolka, Lehrstuhl für Unternehmenslogistik (LFO), Technische Universität Dortmund, sowie Norman Grünewald, ­Susanne Klöcker und Alexander Krooß, alle Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Dortmund.

    Kontakt

    Dr. Veronika Kretschmer
    Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML; Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2–4; 44227 Dortmund

    Foto: privat

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